Hamburg sollte mit dem Geld lieber Suchttherapien bezahlen

Gutachten aus Kiel und Hamburg sowie Erfahrungen von Sozialarbeitern aus den Bezirken bestätigen: Es sind zu einem überwiegenden Teil Männer und Frauen mittleren Alters, die regelmäßig zur Flasche greifen. Jeden Tag. Und Gleichgesinnte finden sich offenbar fast überall im Hamburger Stadtgebiet - von Harburg bis St. Pauli, von Altona bis Langenhorn.

Verwaltung und Politik müssen also handeln, wollen sie nicht die Kontrolle über den öffentlichen Raum verlieren. Alkoholverbote machen indes nur in U- und S-Bahnen Sinn, dort, wo Angetrunkene sich selbst und andere gefährden können, wo sie auf engem Raum für erhebliches Konfliktpotenzial sorgen.

Werden Alkoholiker von öffentlichen Plätzen vertrieben, treffen sie sich an anderen Ecken im Quartier. Sozialarbeiter, die den Kranken Therapien oder Jobs anbieten, haben - das zeigt ein Projekt in Harburg - keinen großen Erfolg. Suchtkranke lassen sich nicht mal eben zu einer Therapie überreden, sie müssen selbst einsehen, dass es nichts bringt, Sorgen mit Bier runterzuspülen.

Trinkräume - Kiel macht es vor - können eine Lösung sein, damit Bürger nicht mehr von grölenden, aggressiven Alkoholikern belästigt werden. Trinkräume bieten Verwaltung und Polizei außerdem Kontrolle. Denn aus einer unpersönlichen Gruppe an der Straßenecke werden am Trinkraum-Tresen Einzelschicksale mit Namen und Gesichtern.

Die Probleme vieler Alkoholabhängiger - Arbeitslosigkeit und das Gefühl, keinen Ausweg mehr zu sehen - schaffen die Trinkräume allerdings nicht aus der Welt. Wer das Elend an der Wurzel packen und alkoholabhängigen Menschen in dieser Stadt wirklich helfen will, darf nicht nur zu ordnungspolitischen Mitteln greifen. Der muss sich auch fragen, ob bestehende soziale Hilfsangebote angesichts der vielen Suchtkranken überhaupt ausreichen.

Wer 85 000 Euro jährlich für einen Trinkraum auszugeben bereit ist, könnte die gleiche Summe in Therapiemöglichkeiten und Beratungsstellen stecken. Und würde damit den Betroffenen sicher mehr helfen.