Er filmt, bastelt und entwirft: Der Videokünstler und Designer Till Nowak hat mit 31 Jahren schon Dutzende internationale Preise gewonnen.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für Hamburg leisten, die als Vorbilder gelten. Den Anfang machte Altbürgermeister Henning Voscherau. In der zwölften Folge vor einer Woche: Tina Heine.

Dunkelgraue Filzpantoffeln stehen unter seinem Schreibtisch. Gemütlich sehen sie aus. Gemütlich sind sie auch, sagt Till Nowak. Er ziehe immer sofort die Straßenschuhe aus, wenn er in sein Büro komme. "Ich will, dass mein Arbeitsplatz sich wie zu Hause anfühlt." Hier, an der Thedestraße 8, im Innern des ehemaligen gleichnamigen Hallenbads, hat Nowak seine Kreativzentrale. In direkter Nachbarschaft zu Bruno Brunis Atelier entwickelt der 31-Jährige seine Ideen. Zumeist am Computer, denn Nowak macht Film- und Videokunst. Animiert, animiert, animiert. Lässt aus zweidimensionalen Fotos dreidimensionale Filme entstehen.

Nowak ist so etwas wie ein aufstrebender Star in der Szene. Schon die Abschlussarbeit seines Studiums 2006, "Delivery", ein 3-D-animierter Kurzfilm, gewann mehr als 25 internationale Preise. Nowak reiste durch die ganze Welt zu Filmfestivals und Wettbewerben. Überraschenderweise erfüllt er keines der Klischees, die solchen Computerfreaks schnell anhaften: Nein, er sei kein verschwurbelter Nerd ohne Freunde gewesen, ja, er habe auch andere Hobbys gehabt, nein, er habe nicht nur fortwährend vor 15 flimmernden Bildschirmen gesessen.

So sieht er auch nicht aus. Nowak könnte auch Banker sein oder in einer Buchhandlung arbeiten. Er trägt eine dunkle Stoffhose, braune Lederschuhe (die er ausnahmsweise anbehalten hat), ein fein gestreiftes T-Shirt und eine dünne anthrazitfarbene Wolljacke. Er ist auch nicht sehr groß, nicht sehr dünn oder dick, nicht zu laut, nicht zu abgedreht. Vielmehr nahbar. Ein Künstler, der seine Kunst verstanden wissen möchte. Kunst, die sich mit unserem Alltag beschäftigt, die jeder nachvollziehen kann.

Man erkennt beispielsweise die eigenen Gedanken, wenn man den Film sieht, der gerade über Nowaks Bildschirm flimmert. Bis in die vorherige Nacht um 24 Uhr hat er die Szenen aneinandergeschnitten: Der Kamerablick fällt von der Rückbank eines fahrenden Autos über den Beifahrersitz auf die Windschutzscheibe. An der Scheibe haften Navigationsgeräte, zehn Stück nebeneinander. Sie alle sind mit dem gleichen Ziel programmiert. Und sie reden. Mit ihren sonoren, gleichförmigen Stimmen geben sie den Weg vor. Jeder Betrachter findet sich wieder, erkennt die grellen Pfeile, den Klang der Computerstimmen, die sich zu einem babylonischen Gebrabbel vermischen. "Viele meiner Projekte resultieren aus dem Realen, das ich dann ad absurdum führe", sagt Nowak und kriecht kurz unter seinen Schreibtisch, um herauszufinden, warum das Video stockte.

Zusätzlich zu diesem Film hat er ein Kunstwerk geschaffen, das wie ein Infusionsständer mit einer Kugel obendrauf aussieht, die nur aus Navis besteht. Zeigen wird er sie und sein aktuell wichtigstes Projekt am 5. und 6. November im Prototyp-Automuseum im Rahmen der "Walk of Art" in der HafenCity. Atemberaubend ist er, der Fliehkraft-Zyklus, an dem Nowak mit Unterbrechungen seit drei Jahren arbeitet. "Das ist einmal ein Videokunstprojekt mit sieben Karussellen und sieben zugehörigen Konstruktionsplänen sowie eine Dokumentation", erklärt Nowak. Und er lässt einen ersten Blick auf das noch nicht öffentliche Projekt zu: Szenen von Jahrmärkten, Fahrgeschäften, Karussells in Spielfilmqualität. Unvermittelt vergrößern sie sich, werden höher, schneller, bekommen immer mehr Sitze und Schaukeln, dabei drehen und verzweigen sie sich irrwitzig durch die digitale Erweiterung am PC. Und es scheint, als könnten diese faszinierend bekannt-unbekannten Objekte tatsächlich existieren und von Menschen benutzt werden. "Ich sehe diese Karussell-Maschinen als Ausdruck unserer Suche nach Glück, die manchmal bizarre Formen annimmt", sagt Nowak. "Seit meiner Kindheit bin ich fasziniert davon, dass Menschen sich auf Jahrmärkten von gigantischen Robotern herumschleudern lassen."

Nowaks Projekt hat die Fachwelt bereits honoriert: Es wurde beim Europäischen Medienkunst-Event Ars Electronica in Linz mit einer "lobenden Erwähnung" ausgezeichnet, ebenso auf der Computergrafik-Konferenz Siggraph in Vancouver.

Doch woher stammen die Ideen des jungen Mannes aus dem eher provinziellen Rhein-Main-Gebiet, die die Jurys begeistern? "Wie in vielen meiner Projekte bereite ich etwas auf, was mich schon seit der Kindheit im Kopf beschäftigt hat", sagt Nowak und lächelt schnell. "Wenn man sich meine ganzen unterschiedlichen Sachen so anschaut, könnte man denken, ich mache das, was ich als Kind mit meinen Eltern gebastelt habe, jetzt halt in Groß."

Nowak wuchs in einem künstlerischen Haushalt in Mainz auf: Die Mutter gab Keramikkurse für Kinder, der Vater, ein Lehrer, malte auf Leinwand. Die Eltern zeigten Till und dem 15 Monate jüngeren Nik die Welt der Kunst. "Wir haben Guckkästen aus Kartons gebaut, wo man durch ein kleines Loch in eine Miniwelt schauen kann, oder als Fünfjährige Stop-motion-Filme mit Super 8 gedreht", erinnert er sich, "ich empfinde es als großes Privileg, dass unser Vater und unsere Mutter uns das beigebracht haben."

In Mainz begann denn auch seine Karriere, "mit dieser typischen Garagengründeridylle": "In meinem Jugendzimmer hatte ich ein echtes Raumschiff-Feeling mit zehn Bildschirmen, an denen ich probiert und gebastelt habe", sagt Nowak. Um sich Geld für seine technischen Anschaffungen zu verdienen, habe er schon früh kleine Jobs gemacht, Zeitungen ausgetragen, in einem T-Shirt-Bedruckungsladen gearbeitet. Außerdem sei er ein recht guter Schüler gewesen, machte sein Abitur als Jahrgangsbester in Physik. "Aber ich war kein Nerd, war auf Partys, und ich war in einer Band, habe Klavier gespielt - okay, elektronisch produziert", sagt er lachend. Dennoch, seinen Computer habe er überallhin mitgeschleppt. Damals gab es noch keinen leichten Laptop, "darum hatte ich auch schon als einer der Ersten aus meinem Freundeskreis ein Auto".

Wenn Nowak erzählt, dann wirkt alles klar, ohne Effekthascherei. "Ja klar, ich war immer total zielstrebig", sagt der Künstler. Er sei immer der Typ gewesen, "um den sich die Eltern keine Sorgen machen mussten". Mit 19 Jahren, im Jahr 2000, gründete er seine eigene Firma, das Grafikbüro frameboX. Parallel studierte er bis 2005 Mediendesign an der Fachhochschule Mainz.

Sein Auskommen konnte er schon als Student größtenteils allein bestreiten. Denn computertechnisch surfte er auf der Überholspur. Er beherrschte Dinge, die gerade erst in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit rückten. Besonders im Bereich der Computeranimation. Nowak arbeitete für den Dokumentationsbereich des ZDF, produzierte unter anderem schon 1999 die Titelsequenz zur Dokureihe "Hitlers Kinder" , machte später den Lockerbie-Anschlag auf eine Boeing 747 der amerikanischen Fluglinie Pan Am von 1988 für den Zuschauer nachvollziehbar. "Das war ein wichtiger Startschuss, von da an hatte ich zehn weitere Firmen und Werbeagenturen als Kunden", sagt Nowak. Er entwickelte Logos, kreierte Flyer, Werbematerialien, Internetseiten.

Nowak streicht mit der Hand über seinen Hinterkopf. "Aber es war ein extrem anstrengendes Doppelleben zwischen Vorlesungen und Meetings bei Auftraggebern." Immer mehr wurde die Szene auf den Kreativen aufmerksam. Mittlerweile ist Nowak, der sich als "rastlosen Alleinarbeiter" bezeichnet, mit seiner Firma nach Hamburg umgezogen. Er konstruiert Lichtinstallationen an Gebäuden, animiert für große Trickfilme, designt für Mercedes-Benz, den Glaskeramik-Hersteller Schott AG, schuf das Cover für das Tokio-Hotel-Album "Humanoid", zeigte jüngst in der Doku über Markus Lanz' "Wettlauf zum Nordpol", wie die Anstrengungen der Reise auf Muskeln und den Energiehaushalt wirken. Präzise. Da komme dann auch der gute Biologieschüler und Bastler in ihm durch. Er grinst.

In Hamburg hat er in Claus Friede, dem Mitbegründer des Kulturclubs, einen Wegweiser und Agenten gefunden, für dessen Unterstützung er "extrem dankbar" ist. Der ihm hilft, sich im Hype um seine Person und Kunst zu positionieren. "Dieser Erfolg kann auch Angst machen", sagt Nowak. "Plötzlich werden einem Fragen gestellt, über die man noch gar nicht nachgedacht hat, dann weiß man erst mal nicht, was man antworten soll. Aber es gibt auch Antrieb." Vom Auftragsknecht sei er plötzlich zu einem Hochgelobten geworden.

Aber Nowak hat da noch ein Langzeitprojekt. Sein bedeutendstes. "Mein Privatleben mit Saika ist jeden Abend die Belohnung, wenn ich hier aus dem Büro komme", sagt Nowak über seine Frau. Seit einem Jahr ist er mit ihr, die in der Werbebranche in Hamburg arbeitet, verheiratet. Schon zuvor waren die beiden zehn Jahre ein Liebespaar. "Wir lieben unser gemütliches Privatleben, doch sobald wir vor die Tür gehen, kommt das Arbeitsbienenhafte", sagt Nowak. Sie verstünden sich, da beide ihre Arbeit liebten, um die nötigen Freiräume wüssten, dann zusammen die "Erntephase" genießen könnten. "Saika hat Ahnung und ist meine ehrlichste Kritikerin", sagt er. Wenn er abends seine einzige Zigarette des Tages auf dem Balkon nahe Planten un Blomen rauche, "meine Nachdenk-Zigarette", dann werde ihm oft bewusst, "wie gut alles ist". Er wisse sein Glück zu schätzen. Auch dass er ein harmonisches Verhältnis zu Eltern und Schwiegereltern habe. "Manchmal ist es gut, einen Schritt zurückzumachen und sein Leben objektiv zu betrachten", so Nowak. Gemeinsam mit seiner Frau schafft er sich Oasen, fernab des Kunstrummels. Gerne gehen sie ins Grindelviertel in eines der kleinen Restaurants oder Bars. Zu Fuß. Mit Schuhen.

Till Nowak gibt den roten Faden an den Rabbiner Shlomo Bistritzky weiter. "Ich lebe im Grindelviertel, sehe jeden Tag die Stolpersteine und habe jüdische Freunde - doch ich würde gern mehr über die jüdische Geschichte in der Stadt und die Arbeit des Rabbiners wissen", begründet Nowak.