Die Hamburger SPD und das alte Leiden, Posten nach Parteibuch zu vergeben

Die heile Welt sieht so aus: Auf jeden frei werdenden Posten der öffentlichen Verwaltung, jeden Spitzenjob zumal, kommt nur der beste, qualifizierteste Bewerber. Das ist - wie auch im übrigen Berufsleben - nur ein schöner Traum.

Der Gegenentwurf ist ein Horrorszenario: Posten werden in der Politik nur nach Parteibuch vergeben, die Inkompetenz wird honoriert. Kurzum: Der Staat wird zur Beute einer gewissenlosen Clique. Demokratie-Erosion ist die Folge. Zwischen beiden Extremen gibt es unendlich viele Grautöne - man nennt es Realität.

Filz in seiner roten Ausprägung ist in Hamburg ein Thema, seit die SPD im Laufe ihrer jahrzehntelangen Herrschaft im Rathaus immer ungenierter zugriff. Da wurden Genossen an die Spitze öffentlicher Unternehmen gehievt oder mit lukrativen, aber bedeutungslosen Versorgungsposten wie der Lotto-Gesellschaft abgefunden, wenn man keine andere Verwendung mehr für sie hatte. Die SPD-Granden vergaßen nicht, ein paar Jobs zur Tarnung eigener Umtriebe auch der Dauer-Opposition CDU zuzuschanzen.

Dass die Hamburger die SPD 2001 abgewählt haben, hing auch mit dem roten Filz zusammen, der sich nach Meinung vieler über die Stadt ausgebreitet hatte. Die heutigen Sozialdemokraten um Bürgermeister Olaf Scholz, der als einer der wenigen diese Zeit hautnah und in Verantwortung miterlebt hat, handeln also klug, wenn sie die richtige Lehre aus dieser für sie schmerzhaften Erfahrung ziehen.

Allerdings herrscht um den Begriff Filz ziemliche Verwirrung: Erstens ist es nicht verboten, Mitglied einer Partei zu sein - auch nicht den Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Es darf also auch niemand wegen seiner Mitgliedschaft diskriminiert werden. Zweitens gibt es auch kluge Köpfe mit Parteibuch, deren Förderung lohnt. Wenn aber nur mit der Parteizugehörigkeit das Ticket zum Job gelöst wird, während qualifiziertere Bewerber auf der Strecke bleiben, dann muss von Filz gesprochen werden.

Ole von Beust startete in das Bürgermeister-Amt mit einem bemerkenswerten Traditionsbruch: Er beließ nicht nur sozialdemokratische Staatsräte zunächst im Amt, er holte sogar mit dem damaligen Wandsbeker Bezirksamtsleiter Klaus Meister einen SPD-Mann als Sozial-Staatsrat. Nachdem von Beust die absolute Mehrheit 2004 errungen hatte, brüskierte er seine Partei, indem er Unabhängige zu Senatoren machte und die CDU-Fraktion bei der Besetzung von Staatsratsposten kaum "bediente". Das war auch eine Aussage von Beusts über die Qualität der Unions-Abgeordneten.

Zur Wahrheit gehört aber, dass er später Parteifreunde zu Staatsräten machte, denen fachliche Expertise und Verwaltungserfahrung fehlten. Dass er im Übrigen zu Beginn mit Roger Kusch gar einen persönlichen Freund zum Justizsenator ernannte, ist ihm und der Stadt nicht gut bekommen.

Olaf Scholz folgt bislang dem frühen von Beust: Er hat mit Kultur-Staatsrat Nikolas Hill immerhin einen CDU-Staatsrat im Amt belassen. Dass Schulsenator Ties Rabe (SPD) jetzt zwei Parteifreunde befördert, ist für sich genommen noch kein Filz-Fall. Doch scheint die Vorsitzende der SPD-Juristin, Anke Pörksen, die bislang eher ein Nischendasein in der Schulbehörde führte, auf höhere Aufgaben vorbereitet zu werden.

Dass mit Petra Bödeker-Schoemann eine kompetente Grüne Chefin der städtischen Beteiligungsgesellschaft wird, spricht für Scholz und gegen roten Filz.

Dennoch: Wehret den Anfängen!