1500 Menschen demonstrieren beim 1. Hamburger “Schlampenmarsch“ gegen sexuelle Gewalt

Hamburg. Maria ist extra aus Dänemark gekommen. Sie ist 18 Jahre jung, hat blonde Haare, Modelmaße. Lippenstift, BH und Minirock, mehr trägt sie nicht. "Ich ziehe mich gern an wie eine Schlampe", sagt sie. "Einfach, um mich sexy zu fühlen. Das heißt aber nicht, dass mich jemand anfassen darf." Und ihr Freund Sune, 29, sagt: "In unseren Discos raten die Türsteher sexy gekleideten Frauen oft, sie sollten lieber wieder nach Hause gehen. Man könne nicht für die männlichen Gäste garantieren." Maria und Sune sind Teilnehmer des ersten Hamburger "Slutwalks". "Schlampenmarsch" heißt die Demonstration auf Deutsch, eine Bewegung, die im April ihren Anfang in Kanada nahm. Der Name geht zurück auf die Aussage eines Polizisten in Toronto: Frauen, sagte er, sollten sich "nicht wie Schlampen anziehen, um nicht zu Opfern zu werden". Seither gehen Frauen, Männer und Transsexuelle weltweit auf die Straßen. Sie protestieren dagegen, dass Opfer sexueller Gewalt mitverantwortlich gemacht werden für das Verbrechen, das ihnen angetan wurde. Dass eine gewisse Kleiderwahl noch immer vielen als mildernder Umstand gilt, als Provokation, als stummes Einverständnis. Dass eine vergewaltigte Frau sich von Polizisten, Ärzten und Richtern fragen lassen muss, wie betrunken sie war und wie kurz der Rock.

Beim "Slutwalk" kleiden sich die Teilnehmer offenherzig bis provokant. Vollbärtige Männer im Blümchenrock laufen mit, Frauen in Netzstrumpfhosen und BH, sie halten Schilder hoch mit Aufschriften wie: "Nein heißt nein!"

Eine der Rednerinnen ist Sibylle Ruschmeier, 45, von der Hamburger Beratungsstelle "Not Ruf" für vergewaltigte Frauen und Mädchen. "Es kommen immer die gleichen Fragen von den Behörden und auch der Familie", sagt sie. Fragen wie: Warum bist du mitgegangen? Wie viel hast du getrunken? Was hattest du an? Für die Opfer klinge das wie: Hättest du es nicht vermeiden können? "Immer wird nach missverständlichen Signalen gesucht", sagt Ruschmeier. "Dabei liegt die Schuld allein beim Täter. Und der kommt meist aus dem näheren Umfeld, wo die Kleidung ohnehin kaum eine Rolle spielt."

1500 Menschen sind an diesem Sonnabend beim Slutwalk in Hamburg auf der Straße, zeitgleich finden auch Märsche in 13 anderen deutschen Städten statt. Eine Demo für das Recht, kurze Röcke zu tragen - das klingt für manchen überholt. Doch die Teilnehmer demonstrieren gegen einen Sexismus, der sich ihrer Meinung nach im Alltag versteckt. "Gewisse Dinge sind zwar selbstverständlich geworden", sagt Sibylle Ruschmeier, "wie mit einem Mann mitzugehen oder sexy Kleidung zu tragen. Aber wenn etwas passiert - dann hat die Frau plötzlich etwas falsch gemacht."