Georg M. Oswald, 47, ist Jurist und Schriftsteller

Hamburger Abendblatt:

1. Hätten Sie sich getraut, den Attentäter Anders Breivik zu verteidigen?

Georg Oswald:

Ich wüsste nicht, was ich in so einer Situation tun würde. Ich kann nur sagen, dass ich Hochachtung vor dem Verteidiger Geir Lippestad habe. Wie es scheint, tut er es im vollen Bewusstsein seiner Verantwortung. Aber gerade bei so einer Tat, die sich über alle menschlichen Grenzen hinwegsetzt, ist es wichtig, die Regeln einzuhalten, die sich die Gesellschaft selbst gegeben hat. Das beinhaltet auch, dem Angeklagten einen Verteidiger an die Seite zu stellen, auch wenn seine Schuld unermesslich erscheint.

2. Welche Schwierigkeiten treten auf bei der Verteidigung eines solchen Attentäters?

Oswald:

Ich kann nur mutmaßen, weil ich nie auch nur annähernd mit so einem Fall konfrontiert worden bin. Der Attentäter hat die Tat zugegeben, bekennt sich aber nicht schuldig. Wie man liest, will sein Anwalt nun darauf plädieren, dass sein Mandant geisteskrank ist. Falls der das nicht mitmacht, will er die Verteidigung niederlegen. Es kann für die Verteidigung in diesem Fall ja auch wohl nicht darum gehen, Rechtfertigungsversuche zu unternehmen.

3. Wie wirkt sich so ein Fall auf einen Anwalt aus, der ja auch Privatmensch ist?

Oswald:

Sicher wird es viele Menschen geben, die seine berufliche Entscheidung für menschlich nicht vertretbar halten. Aber ein Verteidiger ist ein Organ der Rechtspflege wie ein Staatsanwalt oder ein Richter. Im Alltag wird oft nicht zwischen Recht und Moral unterschieden. Deshalb wird Verteidigern oft vorgeworfen, sie machten sich mit Verbrechern gemein. Aber der Anwalt darf sich natürlich nie zum Komplizen eines Täters machen. Seine Aufgabe ist es, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, indem er sich für ein faires Verfahren einsetzt.

4. Kann die Übernahme eines solchen Falles nützlich sein für das Image eines Anwalts?

Oswald:

Einem Anwalt, der so einen Fall missbrauchen würde, um sich in den Vordergrund zu spielen, würde man das zu Recht nie verzeihen.

5. Wie bewerten Sie den bisherigen Umgang der norwegischen Behörden mit dem Fall Breivik?

Oswald:

Wie könnte ich denn das bewerten? In einer zivilen, friedlichen Gesellschaft ist eine solche Tat eigentlich unvorstellbar. Dennoch ist sie geschehen. Mein Eindruck ist, so weit ich das über die Medien mitverfolgen kann, dass man sich sehr bemüht, nicht hysterisch zu reagieren, sondern einerseits mit tiefer Trauer, andererseits mit dem Versuch, den Täter so hart wie möglich zu bestrafen, aber eben nach den Regeln eines Rechtsstaats. Das ist wirklich sehr beeindruckend.