Sascha Vogt, 30, ist Bundesvorsitzender der Jusos, der Jugendorganisation der SPD

Hamburger Abendblatt:

1. Welchen Einfluss haben die Burschenschaften heute unter den Studenten?

Sascha Vogt:

Sie sind eine Minderheit und haben an Bedeutung verloren. Die meisten Studierenden finden das Verbindungswesen abschreckend. Zum Glück. Aber das ist ja auch nicht das Entscheidende. Es geht ihnen um die Suche von Nachwuchs für ihre Altherren-Seilschaften. Es gilt ja das Lebensbundprinzip.

2. Welche Macht üben die Burschenschaften heute auf die politische und wirtschaftliche Elite Deutschlands aus?

Vogt:

In vielen Bereichen funktionieren die Seilschaften hervorragend. Burschenschaftler sitzen im Bundestag, in Ministerien oder Unternehmensspitzen. Posten und Ämter werden dann an die eigenen Mitglieder vergeben - im Zweifel auch ohne geeignete Qualifikation. Und mit dieser Vergabe wird natürlich auch das eigene reaktionäre Weltbild in der Gesellschaft verankert.

3. Wie gefährlich sind rechte Positionen unter den Burschenschaften für die Gesellschaft?

Vogt:

Es gibt verschiedene Dachverbände, und die sind unterschiedlich in ihrer Nähe zum rechtsextremen Spektrum. Für den Dachverband der Deutschen Burschenschaft gilt aber, dass sie viele Mitgliedsbünde haben, in denen offen rechtsextreme Positionen vertreten werden. Viele Bünde akzeptieren die Grenzen Deutschlands nicht und träumen weiter von einem Großdeutschen Reich. Wenn dann wie aufgezeigt die Netzwerke im Berufsleben so gut funktionieren, werden damit rassistische und antisemitische Positionen in der Gesellschaft gestärkt. Besonders heikel ist, dass sie mit ihrer Ausländerfeindlichkeit und Rassismus nicht Einfluss nehmen auf weniger gebildete Schichten der Gesellschaft, sondern sie verbreiten dieses Gedankengut in der deutschen Elite von Wirtschaft und Politik. Denn dort sind die Burschenschaftler sozialisiert.

4. Welche Traditionen und Riten finden Sie am abschreckendsten bei den Verbindungen?

Vogt:

Eigentlich alles. Das beginnt mit dem Ausschluss von Frauen und Migranten, geht über das kollektive Besäufnis bis hin zur Mensur, dem Fechten, bei dem es nur darum geht, den anderen zu verletzen. Das alles ist ein albernes Männlichkeitsgehabe, das ich nicht brauche. Wirklich gefährlich ist aber, dass solche Prinzipien - wie der Ausschluss von Frauen - nicht am Verbindungshaus stehen bleiben, sondern auch sonst munter praktiziert werden.

5. Warum sucht ein junger Mensch die Mitgliedschaft und Nähe zu einer Organisation wie der Burschenschaft heute noch?

Vogt:

Viele, weil sie Anschluss in einer für sie neuen Stadt suchen oder keine andere Wohnung finden. Und natürlich gibt es auch unter jungen Menschen Konservative, die so was toll finden.