Wirtschaftssenator: Hansestadt wird von Energiewende profitieren. Erneuerbaren Energien werden bis zu 3000 Arbeitsplätze zugerechnet.

Hamburg. Der beschleunigte Umbau der Energieversorgung könnte der deutschen Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten einen starken Wachstumsschub bringen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet bei einer Wende hin zu grünen Technologien mit Hunderttausenden neuen Arbeitsplätzen. Über die Frist für den Atomausstieg in Deutschland ist zwar noch nicht endgültig entschieden. Seit dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima Mitte März zeigt sich aber eine starke Sogwirkung für den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Bau moderner Stromnetze.

Hamburg hat die Ansiedlung von Unternehmen der "grünen" Energiewirtschaft seit Jahren zielstrebig gefördert und kann von der Energiewende deshalb besonders profitieren. "Wir rechnen den erneuerbaren Energien und den Effizienztechnologien in Hamburg derzeit bis zu 3000 Arbeitsplätze zu. Diese Zahl können wir in den kommenden zwei bis drei Jahren verdoppeln", sagte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) dem Abendblatt.

Bis zu seinem Wechsel in die Politik zu Beginn des Jahres hatte Horch als Präses der Handelskammer jahrelang für die Anwerbung und Vernetzung von Unternehmen aus der Branche der Ökoenergien geworben. Vor allem Windkrafthersteller wie General Electric, Siemens, Vestas, Nordex oder Suzlon siedelten in den vergangenen Jahren Abteilungen in der Hansestadt an oder verlegten - wie Nordex - sogar ihre Zentrale nach Hamburg. "Beim Zusammenspiel von Forschung und Wirtschaft sehe ich für die erneuerbaren Energien und die Effizienztechnologien in Hamburg eine ungemeine Chance", sagte Horch. "Der Strukturwandel hin zu einer neuen Energiewirtschaft kommt jetzt voraussichtlich schneller als gedacht. Die Fundamente dafür haben wir in Hamburg aber in den vergangenen Jahren bereits gelegt."

Ökostrom-Anbieter wie LichtBlick und Greenpeace Energy - beide sitzen in Hamburg - oder Naturstrom verzeichnen seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima einen massiven Zulauf an neuen Kunden. Diese Entwicklung registriert auch das Verbraucherportal Verivox: "Wir erhalten täglich deutlich mehr Anfragen für Ökostrom-Angebote", sagte Verivox-Sprecherin Dagmar Ginzel dem Abendblatt. Das Wachstumspotenzial am deutschen Markt sei groß: "Nur 2,6 Millionen Haushalte beziehen derzeit Ökostrom, das entspricht gerade mal 6,1 Prozent aller Haushalte", so Ginzel.

DIW-Ökonomin Claudia Kemfert sagte dem Abendblatt: "Die deutsche Wirtschaft kann wie keine andere vom Boom der grünen Branchen profitieren. Dazu zählen neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch die Energieeffizienz, Energiespeicherung, intelligente Daten- und Energienetze oder innovative Kraftwerks- und Antriebstechnologien", so die Professorin. "In Deutschland können bis zu einer Million zusätzlicher Arbeitsplätze entstehen, wenn Unternehmen in die entscheidenden Zukunftsmärkte investieren."

In Hamburg bietet eine Vielzahl von Unternehmen ihre Leistungen zu erneuerbaren Energien oder zur Energieeinsparung an. Siemens etwa steuert von hier aus einen Teil seines Europageschäfts. Der Konzern vermarktet in stark wachsendem Maß erneuerbare Energien und Effizienztechnologien. Die Commerzbank betreibt in der Hansestadt ihr internationales Kreditgeschäft für Ökoenergien.