Was bleibt, ist der ehemalige Firmensitz als wuchtiges Zeugnis Hamburger Backstein-Architektur und ein Restaurant.

Hamburg. Wenn es den Genius loci tatsächlich gibt, jene besondere Ausstrahlung, die von historisch bedeutsamen Orten ausgehen soll, dann müssten die Gäste von Broscheks Restaurant im Renaissance-Hotel an den Großen Bleichen etwas davon spüren. Denn in den Räumen, in denen heute feine norddeutsche Küche serviert wird, ist jahrzehntelang Hamburger Pressegeschichte geschrieben worden. Setzkästen und großformatige historische Fotos an den Wänden erinnern daran, dass einst Arbeiter in grauen Kitteln hier gewaltige Papierrollen durch die Gänge schleppten, Setzmaschinen ratterten und die Räume vom Stampfen der Druckmaschinen erfüllt waren.

Im Jahr 1926 hatte der Architekt Fritz Höger an der Ecke Heuberg/Große Bleichen ein neues und außerordentlich repräsentatives Gebäude für den Broschek-Verlag errichtet, der heute durch Insolvenz in seiner Existenz akut bedroht ist. Bis zur Enteignung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1936 brachte Broschek mit dem "Fremdenblatt" die damals wichtigste Hamburger Tageszeitung heraus. Und die Bedeutung des Verlags kam auch architektonisch deutlich zum Ausdruck. "Mit ihrem Glanz und den goldenen Pyramiden auf den auskragenden Steinen der dicht gereihten Pfeiler führte Höger die Licht- und Farbeffekte des Expressionismus auf ihren Höhepunkt", schreibt der Kunsthistoriker Hermann Hipp über das Gebäude.

Als Alfred Broschek das "Hamburger Fremdenblatt" im Jahr 1907 übernahm, bestand diese Traditionszeitung bereits fast 80 Jahre lang. Doch der Verleger gestaltete sie technisch völlig neu, indem er den Kupfertiefdruck einführte, was die Illustration mit großen Fotografien möglich machte. Damit unterschied sich das "Fremdenblatt" von den "Bleiwüsten" der meisten anderen Zeitungen. Attraktiv und auffällig war auch die Größe der Zeitung, die im "Nordischen Format" erschien und die damals erstaunliche Auflage von 150 000 Exemplaren erreichte.

Da das "Fremdenblatt" 1944 mit zwei anderen Blättern zur "Hamburger Zeitung" zwangsvereinigt worden war, betrachteten es die britischen Besatzungsbehörden 1945 als belastet und nicht lizenzfähig. Axel Springer, der mit dem Hamburger Abendblatt einen damals völlig neuen Zeitungstyp entwickelt hatte, erteilte der Hamburger Senat dagegen 1948 eine Lizenz mit der Nummer 1. Gedruckt wurde das Abendblatt zunächst bei Broschek an den Großen Bleichen. Peter Tamm, Abendblatt-Redakteur der ersten Stunde und später Springer-Vorstandsvorsitzender, erinnert sich an die folgende Anekdote: "Das Abendblatt begann 1948 in einem Gebäude im Hof der alten Volksfürsorge an der Alster. Wir hatten keine Technik, unser Drucker war Broschek an den Großen Bleichen. Da wir am Mittag erschienen, war gegen 11 Uhr Redaktionsschluss. Dann mussten mit höchster Geschwindigkeit von Boten die Matern zur Druckerei gebracht werden.

Jede Minute Verspätung kostete Auflage, denn der Vertrieb wartete schon. Einmal hat ein Bote versehentlich eine Mater der Seite 2 vom gleichen Tag des Vorjahres zu Broschek gebracht. Mehr als 100 000 Abendblätter wurden damals mit einem ein Jahr alten Politikteil gedruckt. Das hat kaum jemand gemerkt."

1954 versuchte die Familie Broschek, die die enteigneten Geschäftsanteile zwei Jahre zuvor zurückerstattet bekam, ein Comeback ihrer Traditionszeitung. Von September bis Weihnachten erschien noch einmal das "Fremdenblatt", wöchentlich siebenmal. Daraufhin brachte auch das Abendblatt eine Sonntagsausgabe auf den Markt, aus der "Bild am Sonntag" hervorging.

Letztlich blieb das "Fremdenblatt" gegenüber dem weitaus moderneren Abendblatt chancenlos. Um Mitbewerber abzuhalten, führte das Abendblatt bis zum 4. April 1992 in Lizenz den Untertitel "Hamburger Fremdenblatt".

Als Druckerei behielt das Familienunternehmen Broschek jedoch weiterhin große Bedeutung. 1974 verließ Broschek die Innenstadt und zog in ein neues Firmengebäude nach Hamburg-Rahlstedt um. 2002 schloss sich die Broschek-Gruppe der Schlott Sebaldus AG mit Sitz im baden-württembergischen Freudenstadt an.

1980 bis 1982 bauten die Architekten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg das frühere Verlagsgebäude zum Hotel um. Obwohl dabei einige historische Details, wie zum Beispiel die alten Buckelglasscheiben, verschwanden, gingen die Architekten sehr behutsam vor, sodass dieses bedeutende Beispiel expressionistischer Architektur bis heute erhalten geblieben ist.

Und selbst wenn das Hamburger Traditionsunternehmen jetzt vor dem Aus stehen sollte, der Genius loci wird in Fritz Högers großartigem Backsteingebäude an den Großen Bleichen auch künftig zu erspüren sein.