Thomas Martens soll den Versicherten “erheblichen Schaden“ zugefügt haben. Amtsenthebung auf Sitzung des Verwaltungsrats am Freitag?

Hamburg. Am Freitag könnte es ernst werden für Thomas Martens, Gründer und Verwaltungsratsvorsitzender der Securvita BKK, und den Vorstand Dr. Ellis Huber. Dann werden die Mitglieder des Verwaltungsrats der Krankenkasse abstimmen, ob der Skandal um die mögliche Veruntreuung von Versichertengeld personelle Konsequenzen haben wird. Das Bundesversicherungsamt (BVA) hatte das Gremium in zwei dem Abendblatt vorliegenden Schreiben aufgefordert, eine Sitzung einzuberufen und die Amtsenthebung von Martens und Huber zu beschließen. Wie berichtet, ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Thomas Martens, Ellis Huber und zwei ehemalige Vorstände (Az. 3302 Js 90/10). Das BVA hatte Strafanzeige wegen des Verdachts der schweren Untreue erstattet.

Martens habe die Interessen der Krankenkasse nicht angemessen vertreten, heißt es in dem neuen Schriftstück des BVA. Damit habe er den rund 170.000 Versicherten "erheblichen Schaden zugefügt". Der 53-Jährige sei als Verwaltungsratsvorsitzender nicht mehr tragbar, da seine zentrale Rolle bei der Securvita Unternehmensgruppe nicht mit der Verpflichtung eines Verwaltungsratsmitglieds vereinbar sei. Das bedeutet: Durch die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der von Martens beherrschten Securvita-Unternehmen und der Securvita BKK gebe es eine Interessenkollision. Die Folge sei ein finanzieller Nachteil für die Kasse und ein Ansehensverlust.

Das BVA legt dar, dass es viele vertragliche Beziehungen gibt, die zum Teil mit "erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen" für die Kasse verbunden seien. Als Beispiel wird der Abschluss des Untermietvertrags mit der Securvita Konzept GmbH genannt, bei der Martens alleiniger Geschäftsführer ist. Obwohl ein Anwalt davon abgeraten habe, beinhalte der Vertrag für die Securvita BKK ungünstige Regelungen, der Paragraf 11 "Mietsicherheit" sei etwa gestrichen worden. Zudem habe der Mietvertrag nur eine Laufzeit von fünf Jahren mit einer dreimaligen Verlängerungsoption. "Die Belastung bleibt also im Wesentlichen bei der Securvita BKK", heißt es im Schreiben des BVA.

Des Weiteren würden die Securvita-Firmen gegenüber anderen Wettbewerbern unzulässig bevorzugt. Die Krankenkasse wurde bereits mehrfach aufgefordert, insgesamt fünf Verträge mit der Unternehmensgruppe zu kündigen, da diese "unter Verstoß gegen das Vergaberecht" zustande gekommen seien. Beispiele für die Verquickung von Kasse und Unternehmensgruppe werden mehrere genannt. So übernimmt die Securvita Konzept GmbH das Interessenten-, Neu- und Bestandskundenmanagement für die Krankenkasse, wofür sie laut BVA monatlich zwischen 54 000 und 77 000 Euro in Rechnung stellt. Für weitere Öffentlichkeitsarbeit sowie Marketing erhält die Firma eine monatliche Pauschale von 9401 Euro.

Thomas Martens wollte sich gegenüber dem Abendblatt nicht zu den Vorwürfen äußern.

Das BVA prangert zudem an, dass es sich bei dem Erwerb des städtischen Grundstücks am Lübeckertordamm - auf dem das neue Verwaltungsgebäude der Securvita BKK 2007 fertiggestellt wurde - durch die L.T.D. Lübeckertordamm Entwicklungs-GmbH (LTD) um eine unzulässige Wirtschaftsförderung gehandelt habe. Bei der Stadt sei der Eindruck entstanden, dass die Krankenkasse Teil einer von Thomas Martens geführten Securvita Holding AG und somit einer Wirtschaftsförderung zugänglich sei. Aufgeklärt habe Martens diesen Irrtum nicht. Zudem sei bereits damals klar gewesen, dass die Securvita BKK mit 13 000 Quadratmetern weit über Bedarf Büroflächen in dem Neubau angemietet habe. Das BVA schreibt: "Die LTD und damit Herr Martens ist über die fälschliche Einbeziehung der Securvita BKK in eine Holding unter seiner Führung und die Täuschung über die tatsächlich benötigten Flächen nach Auskunft der Stadt in den Genuss eines besonders günstigen Verkaufpreises gekommen." Dagegen sei die Kasse für 20 Jahre mit immensen Mietverpflichtungen für Flächen belastet, die sie nicht benötigt.

Zum Hintergrund: Die LTD, bei der Martens über seine Securvita Konzept GmbH Mitgesellschafter war, hatte den Neubau geplant und bereits 2002 mit der Securvita BKK einen Mietvertrag über 20 Jahre abgeschlossen. Ein Gutachten einer Bremer Rechtsanwaltskanzlei bestätigt, dass der Kasse ein Schaden von mindestens 17,8 Millionen Euro entsteht. Zugleich habe Martens als LTD-Mitgesellschafter profitiert: Er verkaufte die Anteile in Höhe von 50.000 Euro für 4,225 Millionen Euro.

Das BVA kritisiert nun, dass die Securvita BKK nicht Begünstigte der Wirtschaftsförderung hätte sein dürfen. Diese richte sich nicht an Körperschaften des öffentlichen Rechts, deren Finanzierung aus Beitragsleistungen gesichert ist. BVA-Sprecher Tobias Schmidt sagt: "Eine Förderung ist auch problematisch, weil sie gegenüber den anderen gesetzlichen Krankenkassen wettbewerbsverzerrend ist."

Die Stadt sieht das anders. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Michael Neumann hervor: "Dominierende Bedeutung unter den Vergabekriterien besaß der Erhalt und die Neuschaffung von Arbeitsplätzen in der schnell wachsenden Securvita BKK." Doch die ambitionierten Wachstumsprognosen sind bislang nicht eingetreten. Während 2003 rund 200 Mitarbeiter bei der Kasse tätig waren, sind es heute nur etwa 60 Beschäftigte mehr.

Sollte der Verwaltungsrat der Securvita BKK Thomas Martens und Ellis Huber am Freitag nicht von ihren Ämtern entheben, wird das BVA einen Verpflichtungsbescheid erlassen. Das bedeutet: Sollte der Verwaltungsrat nicht handeln, wird er vom BVA verpflichtet, die beiden ihrer Ämter zu entheben. Sollte das Gremium auch dieser Aufforderung nicht nachkommen, werden sich demnächst wohl die Richter mit dem Fall auseinandersetzen müssen.