Mieterverein ruft Senat zum Handeln auf. In keiner Metropole ist der Mangel größer

Hamburg. In keiner anderen Metropole in Deutschland fehlen so viele Wohnungen wie in Hamburg. 90 000 sind es laut aktuellem Marktbericht des Immobilienunternehmens Engel & Völkers. Damit liegt die Hansestadt weit vor Berlin (Defizit 44 100), Stuttgart (31 400) und München (18 100).

Dem Bericht liegen Zahlen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und dem Statistischen Bundesamt zugrunde. "Wir haben den fortgeschriebenen Wohnungsbestand den Haushaltsberechnungen des BBR gegenübergestellt", erklärt Carsten Rieckhoff von Engel & Völkers die Berechnung.

Deutschlandweit habe der Wohnungsneubau in den vergangenen Jahren trotz steigender Haushaltszahlen "immer mehr an Bedeutung verloren", so das Unternehmen. Am stärksten sei der Bau von Mehrfamilienhäusern betroffen. Laut dem Bericht wurden 2009 in Deutschland lediglich 51 500 neue Etagenwohnungen fertiggestellt. Zum Vergleich: Im Jahr 1995 waren es noch 319 000 Wohnungen. Die Ursachen sehen die Immobilienexperten in "diversen Änderungen im Steuerrecht und Streichungen von Förderungen", die solche Investitionen weniger attraktiv machten.

Wilfried Lehmpfuhl vom Mieterverein zu Hamburg erlebt die Wohnungsknappheit in Hamburg täglich bei der Arbeit. "Es ist eine Tatsache, dass Menschen mit kleinem Geldbeutel nur mit Glück eine Wohnung bekommen." Wohnungsuchende mit Kindern hätten es besonders schwer. "Wenn Fachleute 90 000 fehlende Wohnungen errechnet haben, ist das sicher nicht aus der Luft gegriffen", sagt Lehmpfuhl.

Der Mieterverein hat drei Forderungen an den künftigen SPD-Senat. "Am wichtigsten ist es, die Einkommensgrenzen für den Bezug von Sozialwohnungen zu erhöhen, damit auch Normalverdiener mit Kindern in solche Wohnungen einziehen können." Zudem müssten die Investoren "so angespitzt" werden, dass sie mehr Wohnungen bauen. Außerdem hofft er, dass die Standards für energiesparende Sanierungen auf Bundesniveau abgesenkt werden. "Wir müssen aufhören mit diesen übertriebenen Anforderungen in Hamburg", so Lehmpfuhl.

SPD-Wohnungsexperte Andy Grote sagte zu dem Wohnungsmangel-Bericht: "Richtig ist, dass wir in Hamburg dramatische Defizite in der Wohnraumversorgung haben." Allerdings spricht er von einem "aufgestauten Fehlbestand von etwa 30 000 Wohnungen". Die "Dimension von 90 000 fehlenden Wohnungen" sei für ihn "schwer nachvollziehbar".

Auch die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hält die Zahlen für eine "gewagte Rechnung". Dennoch müsse der Wohnungsbau dringend angekurbelt werden, hieß es.

Nach dem Immobilien-Bericht von Engel & Völkers belegt Hamburg auch einen Spitzenplatz bei den höchsten Mieten im Fall von Neuvermietungen. Hier liegt Hamburg nach München auf Rang zwei. Der Mittelwert in guter Lage beträgt 12,50 Euro pro Quadratmeter. In München kostet der Quadratmeter im Mittel 14,25 Euro. Hinter Hamburg liegen Frankfurt (11,50 Euro), Heidelberg (11,25 Euro) und Düsseldorf (10,75 Euro).

Diese Zahlen seien "ebenso dramatisch wie plausibel", sagt SPD-Experte Grote. "Die traurige Spitzenstellung beschreibt das politische Versagen der Vergangenheit und die politische Aufgabe der Zukunft", so der SPD-Mann.