Die Zeugin Maria A. log vor Gericht, um ihren angeklagten Verlobten zu schützen. Jetzt muss sie sich selbst vor dem Strafrichter verantworten.

Hamburg. Sie hat die Sache unterschätzt, sie nicht wirklich ernst genommen und keinen Gedanken auf die Konsequenzen verschwendet. Es zählte nur das Hier und Jetzt, die Sorge um die Zukunft ihres Verlobten und der Wunsch, ihrem Liebsten nach Kräften beizustehen, koste es, was es wolle. Maria A. könnte dafür sogar im Gefängnis landen. Die 22-Jährige hat dort gelogen, wo unter keinen Umständen die Unwahrheit gesagt werden darf - als Zeugin vor Gericht. Sie hat eine faustdicke Lüge aufgetischt und steckt deshalb jetzt selber in fundamentalen Schwierigkeiten.

Denn ausnahmslos jeder, der als Zeuge in einem Prozess aussagt, wird belehrt, dass er sich um eine wahrhafte Aussage besonders bemühen muss. Denn davon hängen Gerichtsurteile ab, dies entscheidet unter Umständen über Freispruch oder Gefängnis. Und damit über Schicksale.

Auch Maria A. war seinerzeit über die Wichtigkeit einer korrekten Aussage belehrt worden. Damals, im April vergangenen Jahres, als ihr Verlobter wegen räuberischen Diebstahls vor Gericht stand. Weil sie in dem Prozess als Zeugin gelogen haben soll, muss sie sich jetzt selber vor dem Strafrichter als Angeklagte verantworten. Uneidliche Falschaussage wird der jungen Frau vorgeworfen.

"Ich hatte Angst, dass er bestraft wird." Zaghaft, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern, versucht die Auszubildende ihre Motivation zu erklären. Sie versucht verständlich zu machen, warum sie damals fälschlicherweise behauptet hatte, dass ihr Lebensgefährte mitnichten ein Paar Schuhe gestohlen und auch keine Angestellte bedroht habe. "Halt uns nicht auf, sonst haue ich dir aufs Maul", soll der Mann demnach der Verkäuferin gedroht haben.

Niemand hätte Maria A. zwingen können, gegen ihren Verlobten auszusagen. Denn das Gesetz sieht gerade für Menschen, die mit einer wahrheitsgemäßen Aussage einen Angehörigen in Schwierigkeiten bringen könnten und deshalb in einen Gewissenskonflikt geraten, einen Ausweg vor. Eine "goldene Brücke", wie der Amtsrichter es jetzt nennt. Auch Maria A. war damals auf das Zeugnisverweigerungsrecht, also der Möglichkeit zu schweigen, hingewiesen worden, da sie die Verlobte des Angeklagten ist. "Das ist mir alles egal. Ich sage jetzt was", hatte die schwarzhaarige Frau unbekümmert entgegnet und sich tief in einem Lügengebäude verstrickt. Ihr Lebensgefährte Mostafa A. habe "nichts geklaut" hatte sie beharrt. "Er hatte nichts in der Hand."

Er wolle gern wissen, geht der Amtsrichter der Sache jetzt auf den Grund, "welcher Teufel Sie da geritten hat", als sie damals als Zeugin gelogen hatte. "Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht. Ich habe geglaubt, ich könne ihm helfen", räumt Maria A. kleinlaut ein. Sie habe angenommen, ihrem Verlobten drohe eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr, erzählt sie. Tatsächlich gilt der räuberische Diebstahl, wie er Mostafa A. vorgeworfen wurde, als Verbrechen, das mit einer deutlichen Freiheitsstrafe geahndet wird - im Erwachsenenrecht. Doch der damals 20-Jährige wurde als Heranwachsender nach dem milderen Jugendrecht bestraft und erhielt letztlich lediglich zwei Wochen Jugendarrest. Maria A. stand wegen ihrer 22 Jahre in einem gesonderten Verfahren vor dem Erwachsenengericht und hatte ihre Tatbeteiligung an dem Diebstahl unumwunden eingeräumt und war zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Beileibe nicht ihre erste Erfahrung in einem Strafprozess. Zwölfmal ist Maria A. bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten, unter anderem wurde sie wegen Diebstahls, Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung bestraft. "Dass für Sie einiges auf dem Spiel steht, ist Ihnen klar", möchte der Amtsrichter jetzt von der Angeklagten wissen. Die nickt matt. Heute ist sie schlauer. "Was ich getan habe, tut mir leid", meint sie und senkt schuldbewusst den Kopf.

Das sei auch "das einzig Schöne an der Sache", sagt der Amtsrichter in seinem Urteil, "dass Sie eingesehen haben, dass Sie sich falsch benommen haben". Auf 120 Tagessätze zu je fünf Euro Geldstrafe erkennt der Richter. Dass Zeugen die Wahrheit sagen müssen, sei "ein hohes Gut, da sind wir zu Recht sehr pingelig". Denn eine Falschaussage, redet er der Angeklagten ins Gewissen, "ist etwas, das eine gerichtliche Aufklärung erschwert" und unter Umständen eine falsche Entscheidung begünstige. Maria A. hat ihre Lektion gelernt. Sie akzeptiert das Urteil sofort.