Im Hamburger Piraten-Prozess behauptet ein Angeklagter, misshandelt worden zu sein. Er sei nackt auf einem Stuhl gefesselt vernommen worden.

Neustadt. Hussein C. hatte alles gestanden: Er habe sich aus Verzweiflung an der Kaperung des Hamburger Containerfrachters "Taipan" beteiligt. Sein Sohn sei zuvor von einem Mann entführt worden, weil er ihm 1100 US-Dollar schuldete. Er hätte alles getan, um sein Kind freizukaufen, deshalb sei er Pirat geworden. Die Erlebnisse hätten ihn frühzeitig altern und ergrauen lassen. Kaum hatte der 24-Jährige die traurige Geschichte beendet, äußerte er einen schweren Vorwurf: Nach seiner Festnahme sei er an Bord des niederländischen Kriegsschiffs "Tromp" "nackt auf einem Stuhl gefesselt vernommen" und in "entwürdigender Art und Weise behandelt" worden. "Da taucht am Horizont der Begriff Folter auf", sagte sein Verteidiger Philipp Napp.

Hussein C. ist einer der zehn somalischen Piraten, die von Soldaten der "Tromp" festgesetzt worden waren. Seit November ist er mit seinen Komplizen vor dem Landgericht angeklagt: Am 5. April sollen sie die "Taipan" gekapert haben, um - letztlich erfolglos - die 13-köpfige Crew zu entführen. Der Kapitän der "Tromp" sagte gestern als Zeuge aus. Ein deutsches Aufklärungsflugzeug habe sie über den Angriff auf die "Taipan" informiert, sagte Hans Lodder, 50. Der Dau, von der die Piraten ihre Attacke starteten, seien sie auf dem Weg zur "Taipan" begegnet. Nach einem Warnschuss sei das Piratenboot abgedreht, mit ihren wendigen Skiffs hatten die Seeräuber die "Taipan" aber erreicht.

In 1300 Meter Sicherheitsabstand sei ihr Schiff zuerst von den Piraten beschossen worden. "Da haben wir zurückgeschossen", sagte Lodder. Unter dem Sperrfeuer der "Tromp" flog ein Helikopter zur "Taipan". Soldaten seilten sich ab, sie überwältigten die Piraten nach einem Schusswechsel. Der Einsatz der Tromp, so der Kapitän, war nicht durch ein "Atalanta"-Mandat gedeckt, da sich die "Taipan" außerhalb des Gebietes der internationalen Anti-Piraterie-Mission befand. Das niederländische Verteidigungsministerium habe aber nach Absprache mit deutschen Stellen die Militäroperation gestattet. Die zehn Piraten seien an Bord der "Tromp" in einem Hangar untergebracht worden und gemäß einer EU-Richtlinie behandelt worden. Einer der Piraten sei bei einem Fluchtversuch ins Meer gesprungen, konnte aber gerettet werden. "Sind Ihnen Umstände bekannt, die kritisch zu würdigen wären?", fragte der Richter und spielte auf den Vorwurf von Hussein C. an. "Da ist mir nichts zu Ohren gekommen", entgegnete Lodder. Nach den Regularien sei jeder Pirat nur einmal gefragt worden, ob er Angaben machen wolle.

"Es ist völlig unklar, auf welcher Rechtsgrundlage die Männer festgehalten wurden", sagte hingegen Verteidigerin Gabriele Heinecke. Möglicherweise gebe es keine. "Dann hätten sie längst freigelassen werden müssen."