Die Sozialbehörde muss einräumen, dass deutlich mehr Eltern mehr Geld für die Betreuung zahlen müssen als zunächst angekündigt wurde.

Hamburg. Über diese zusätzlichen Einnahmen dürfte sich der Senat nicht uneingeschränkt freuen: Die Erhöhung der Kita-Gebühren betrifft deutlich mehr Familien als von der damaligen schwarz-grünen Regierung angekündigt. Für annähernd jedes fünfte Kind (18 Prozent) kostet die Betreuung monatlich 100 Euro mehr, wie Sozialsenator Dietrich Wersich am Wochenende einräumte. Als die Maßnahme im Frühjahr bekannt wurde, hatte der CDU-Politiker gemeinsam mit GAL-Fraktionschef Jens Kerstan von "drei bis fünf Prozent" der Kinder gesprochen, auch um erzürnte Eltern zu besänftigen.

Ob Kalkül oder Rechenfehler, seit Monaten hatte sich abgezeichnet, dass der Senat mit seiner Aussage danebenliegt. Die zuständigen Bezirksämter verweigerten zeitweise Auskünfte, hatten aber auch mit fehlenden Angaben vieler Eltern zu kämpfen.

Würde es bei dem Senatskonzept bleiben, müssten Hamburgs Eltern in diesem Jahr alleine 25 Millionen Euro mehr an Beiträgen zahlen. Hinzu kommen höhere Kosten für das Essen in Horten und Kitas. Die Beiträge wurden, gestaffelt nach Gehalt, um bis zu 100 Euro erhöht.

Die SPD, die laut Umfragen mit einem Wahlsieg rechnen dürfte, hat am Wochenende jedoch nicht nur beschlossen, die Erhöhungen sofort zurückzunehmen. Spitzenkandidat Olaf Scholz verschnürte zudem sein 100-Millionen-Euro-Versprechen: Innerhalb der kommenden Legislatur soll die fünfstündige Basisbetreuung schrittweise günstiger und schließlich kostenlos angeboten werden. Scholz warf CDU und GAL vor, das Gespür für die Realität in der Stadt verloren zu haben. "Wenn zwei Eltern Vollzeit arbeiten in einem Kaufhaus in der Innenstadt, sind sie nach deren Definition Besserverdienende", sagte Scholz. CDU und GAL hielten es für "völlig locker, wenn sie dann die höchsten Gebühren bezahlen".

Die Erhebung der Sozialbehörde zeigt allerdings auch, dass 70 Prozent der Eltern jedenfalls von den höheren Beiträgen für die Betreuung nicht betroffen sind. Insgesamt zahlen 40 Prozent den Regelsatz oder gar keine Beiträge. Das bedeutet: Für 44 000 Kinder zahlen Eltern nicht mehr als vor der Erhöhung. Für weitere 24 000 Kinder ist der Mindestsatz fällig, weitere 1500 Kinder sind laut Behörde "Nullzahler", wie es in der Behörde heißt.

"Gerade für Eltern in schwierigen sozialen Lagen ist der Besuch einer Kita in Hamburg günstiger als in vielen anderen deutschen Städten", sagte Sozialsenator Dietrich Wersich. In 15 von 105 Stadtteilen seien demnach mehr als 90 Prozent der Kinder nicht von höheren Beiträgen betroffen, etwa in Steilshoop (92 Prozent), Billstedt (93 Prozent), Dulsberg (95 Prozent) oder Veddel (99 Prozent). Die meisten Spitzenzahler wohnen dagegen in Nienstedten (54 Prozent), Blankenese (48,1 Prozent), Harvestehude (44 Prozent), Eppendorf (43,2 Prozent) und der HafenCity (38,5 Prozent Höchstsatzzahler).

Was gemessen an den Klischees über diese Stadtteile einleuchtet, verschweigt jedoch: dass auch Eltern, die den Mindestsatz oder gar keine Beiträge entrichten, mehr für die Verpflegung ihrer Kinder bezahlen. Der Beitrag dafür wurde in Kitas von 13 Euro auf 21 monatlich erhöht, im Hort von 13 auf 42 Euro. SPD-Sozialexpertin Carola Veit hält die Aussagen des CDU-Senators für "irreführend": Familien mit geringem Einkommen würden durch die Essenskosten schwer belastet. Auch die FDP warf dem Senat eine Täuschung der Eltern vor: "Die CDU hat mit falschen Karten gespielt und macht die Mittelstandsfamilien jetzt zu Melkkühen", sagte Kita-Expertin Martina Kaesbach. Auch die Liberalen fordern, die Erhöhung zurückzunehmen.

Unklar ist, wie es zu der Fehleinschätzung in der Sozialbehörde kam. Sozialsenator Dietrich Wersich gilt ansonsten als präziser Rechner. Bekannt ist, dass genaue Daten über die Einkommen vieler Eltern nicht vorlagen, weil vor der Erhöhung der Gebühren ein großer Anteil freiwillig den Spitzensatz zahlte, also keine Daten offenlegte. Haben sich CDU und GAL optimistisch auf Schätzungen verlassen - oder war klar, dass mit wenigen Topverdienern kein Haushalt zu sanieren ist?

Seit die Union in Umfragen unter Druck steht, hat auch Bürgermeister Christoph Ahlhaus eine Rücknahme der Erhöhung in Aussicht gestellt. Sozialsenator Wersich wählte aber auch gestern den Konjunktiv: "Wenn die Ursachen für die Erhöhung, nämlich massive Steuereinbrüche durch die Wirtschafts- und Finanzkrise, überwunden sind, würden wir die Eltern wieder entlasten." Das sei nur konsequent.