Der 38-jährige Bülent Ciftlik, einstiger Hoffnungsträger der SPD, soll Wahlhelfer im Bezirk Altona zur Urkundenfälschung angestiftet haben.

Hamburg. Wenige Wochen nach dem Parteiausschluss von Bülent Ciftlik geht die juristische Aufarbeitung seines politischen Wirkens in eine weitere Runde. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt erneut gegen den ehemaligen SPD-Sprecher . Der 38-Jährige, der 2008 überraschend in die Bürgerschaft eingezogen ist, soll im Wahlkampf zur Urkundenfälschung angestiftet haben. Wie erst jetzt bekannt wurde, läuft das Verfahren seit Anfang Dezember.

Die Ungereimtheiten traten bereits zehn Tage vor der Bürgerschaftswahl am 24. Februar 2008 zutage. Rund 100 Anträge auf Briefwahl fielen im Bezirksamt Altona auf, weil sie nicht auf behördlichem Papier gedruckt waren. Es wurden Fotokopien des vom Bezirksamt verschickten Papiers gefunden. Teilweise stießen die Beamten auf unvollständig eingetragene Namen. Sie wurden zudem stutzig, als Bürger Anträge auf Briefwahl stellten, die laut Liste bereits einen Antrag gestellt hatten. Die Kripo fand bei ihren Ermittlungen auch heraus, dass von den im Wählerverzeichnis stehenden Personen niemand Briefwahlunterlagen beantragt hatte. Fahnder vermuteten damals, dass die Täter die Namen von Klingelschildern abgeschrieben hätten.

Die Staatsanwaltschaft musste das Ermittlungsverfahren später allerdings einstellen, da die Ermittler keine Spur zu den mutmaßlichen Tätern hatten. Neue Ermittlungsansätze führten nun auf die Spur von Ciftlik. Neben ihm sollen vier seiner Wahlhelfer mit beteiligt gewesen sein. "Es besteht der Anfangsverdacht, dass Herr Ciftlik die für ihn arbeitenden Wahlhelfer angewiesen hat, Briefwahlanträge türkischstämmiger Deutscher für die Bürgerschaftswahl 2008 zu fälschen", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers dem Abendblatt. Ob Ciftliks Mitarbeiter auch mit Wissen von Bürgern an Wahlunterlagen gekommen waren, ist bislang nicht bekannt.

Juristisch handelt es sich allerdings nicht um einen Wahlbetrug, weil die Manipulation vor der Wahl aufgefallen sei und somit keinen Einfluss auf die Bürgerschaftswahl gehabt habe. Ciftlik war gestern für eine Stellungnahme zu den neuerlichen Vorwürfen gegen ihn nicht zu erreichen. Der Verdacht gegen Ciftlik habe sich laut Möllers im Zuge der Ermittlungen wegen der Vermittlung einer Scheinehe erhärtet.

Zweimal, im Mai 2009 und im März 2010, durchsuchten Fahnder die Wohnung des Bürgerschaftsabgeordneten. Dabei stellten sie Unterlagen und elektronische Daten von Computern sicher. Offenbar fanden sie dabei Beweise für die Anstiftung zur Urkundenfälschung. Welche genau, darüber wollte Möllers keine Angaben machen.

Mit dem Scheinehe-Verfahren begann der Abstieg Ciftliks, der zuvor als charismatischer Politiker einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hatte. Als Sohn türkischer Eltern galt er als Musterbeispiel für eine gelungene Integration, der es mit Fleiß und Hartnäckigkeit in die Bürgerschaft gebracht hatte. Doch im vergangenen Sommer wurde er wegen der Vermittlung einer Scheinehe zu 12 000 Euro Geldstrafe verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts hat Ciftlik seine Ex-Freundin im November 2007 überredet, seinen türkischen Bekannten zum Schein zu heiraten, um ihm einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.

Die junge Frau habe nach anfänglichem Zögern dem Plan zugestimmt, weil sie sich eine Beziehung mit Ciftlik erhofft habe. Von den 7000 Euro, die die Frau für die Scheinehe erhielt, habe der Politiker 3000 Euro bekommen - als Darlehen für den Bürgerschaftswahlkampf. SPD-Chef Olaf Scholz, einstiger Förderer Ciftliks, sagte nach dem Richterspruch: "Das Urteil beendet die politische Karriere von Bülent Ciftlik." Dieser trat schließlich aus der SPD-Fraktion aus, ist seitdem fraktionsloser Abgeordneter.

Im November wurde er auch noch aus der Partei ausgeschlossen. Das Urteil gegen Ciftlik ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Ein Termin für die Berufungsverhandlung steht laut Oberstaatsanwalt Möllers noch aus.

Unterdessen sind die Ermittlungen in einem weiteren Ermittlungsverfahren gegen Ciftlik abgeschlossen, wie Möllers bekannt gab. Die Staatsanwaltschaft führt seit rund einem Jahr ein Verfahren wegen des "Verdachts der Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens". In diesem Verfahren geht es um gefälschte LKA-Vermerke. In denen wurden die SPD-Abgeordneten Mathias Petersen und Thomas Böwer, damalige Gegenspieler Ciftliks, bezichtigt, ihn wegen der Scheinehe angeschwärzt zu haben.

Die Kopien sollen aus echten Aktennotizen der Polizei im Zusammenhang mit der SPD-Stimmzettel-Affäre stammen. Ciftlik, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, stecke hinter den Fälschungen.

Oberstaatsanwalt Möllers kündigte an, das Verleumdungs- und das Fälschungsverfahren zusammenzuziehen. In beiden Fällen drohen Ciftlik bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft.