Die Behrens leben zu elft in einer Wohnung. Jetzt könnten sie in ein nur 20 Euro teureres Haus umziehen - doch die Arge sagt Nein.

Zwölf aus Ton geformte Störche hängen im Wohnzimmer von Familie Behrens an der Wand. Unter jedem der Vögel ist ein Name eingeprägt: Tanja, Manuel, Dustin, Nina, Jacqueline, Charleen, Samantha, Julian, Jordan, Angelique, Dana-Jean und Shane. "Meine zwölf Kinder", sagt Vater Detlef Behrens. "Aber alle mit einer, mit meiner Frau." Und zeigt auf Manuela, 50, die neben ihm auf der Couch sitzt.

Der 53-jährige Detlef Behrens sagt diesen Satz wie zur Verteidigung. Häufig hat er wegen seiner vielen Kinder mit Vorurteilen zu kämpfen. Gegenüber der Wand mit den Störchen steht das Ehebett der Eltern. Auf den beiden Couchen daneben schlafen die beiden Jüngsten Dana-Jean, 14, und Shane, 12. Seit über zehn Jahren teilen sich die vier das Zimmer, das tagsüber der Wohnbereich für alle ist.

Das Ehepaar Behrens wohnt mit sieben seiner Kinder, einem Enkel und einem Neffen, den es aufgenommen hat, als dessen Leben nicht mehr so ganz nach Plan lief, in einer Vier-Zimmer-Wohnung in Rahlstedt. 140 Quadratmeter für 1180 Euro kalt, bezahlt von der Arge, denn die Familie erhält Hartz IV. Doch als die Behrens nun endlich ein Haus gefunden haben, stellt sich die Behörde quer - obwohl die Miete nur 20 Euro höher ist. "Das würden wir zur Not selbst zahlen", sagt Manuela Behrens. Doch das darf sie nicht.

Seit fünf Jahren schon suchen die Behrens nach einer neuen Bleibe. Dann, Mitte Dezember, bekommen sie endlich die Zusage: für ein Sechs-Zimmer-Haus in Billstedt: 120 Quadratmeter plus Keller und Dachboden, die ausgebaut werden können. "Meine Frau hat geheult - vor Freude", sagt Detlef Behrens. "Ich gehe immer mit ein, zwei Kindern zu den Besichtigungsterminen, aber wenn die Vermieter fragen, wie viele wir sind, dann hat sich das immer schnell erledigt", erzählt Manuela Behrens. Doch diesmal spielt der Vermieter mit.

Einen Tag vor Weihnachten kommt dann die Absage der Arge. "Die Miete ist bei elf Personen zu hoch", heißt es. Dabei geht es vor allem um das Baujahr. Ein Haus aus dem Jahre 1994 dürfte sogar 1382,42 Euro kosten - die Arge würde bezahlen. Eines, das 1949 erbaut wurde wie das in Billstedt, dürfe hingegen nur 959,92 Euro Kaltmiete kosten.

Die Behrens sehen ihre Chance auf halbwegs normale Wohnverhältnisse zerbrechen und holen sich juristische Hilfe: Jörn Lütjohann, Fachanwalt für Sozialrecht. "Ich mache das jetzt schon seit 16 Jahren, aber so eine traurige Geschichte hatte ich noch nie", sagt er.

Denn die Behrens entsprechen keineswegs den Klischees, die einige bei einer Familie mit zwölf Kindern und einem arbeitslosen Vater schnell bekommen. "Das ist eine ordentliche, supersaubere und gut strukturierte Familie", sagt Beatrice Domke. Sie ist Sozialpädagogin bei der Familienhilfe und hat die Behrens betreut. Der Vater, sagt sie, kümmere sich um alle Arbeiten zu Hause und die Mutter sei sehr engagiert, damit es ihren Kindern an nichts fehle. Die familiären Probleme, die es gab, als die Familienhilfe 2008 aktiv wurde, waren hauptsächlich auf die Krankheit des Vaters und die beengte Wohnsituation zurückzuführen, berichtet Domke.

Detlef Behrens würde gern arbeiten. Aber er leidet seit über 30 Jahren an einer "psychischen Angststörung", ist berufsunfähig und schwerbehindert. Seine erste Panikattacke bekam er während der Arbeit auf dem Bau. "Das war, als ob mich jemand im Nacken packt und würgt, ich bekam plötzlich keine Luft mehr", erinnert er sich. Seitdem meidet er Fremde und enge Räume. Wenn er rausgeht, bleibt er immer in der Nähe der Wohnung.

Rechtsanwalt Lütjohann hat den Traum der Familie von einem Haus noch lange nicht aufgegeben. Er zieht alle Register, denn bereits Ende dieser Woche muss der neue Mietvertrag unterschrieben werden, sonst bekommen andere das Haus. Er schreibt dem Bürgerbüro, wendet sich an den Eingaben-Ausschuss der Bürgerschaft und widerspricht dem Beschluss der Arge. "Bitte beachten Sie, dass ein starres Festhalten an der Baualterklasse in diesem speziell gelagerten Ausnahmefall zu einem unerträglichen Ergebnis führt", schreibt er an die Arge.

Er reicht auch Gutachten ein. "Aus Sicht des Jugendamtes wird ein Umzug [...] im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Kinder für dringend erforderlich gehalten", steht in einem Empfehlungsschreiben des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Bezirks Wandsbek. "Kein Kind hat genügend Wohnraum, um in Ruhe zu lernen", schreibt Beatrice Domke, 50.

Das Soziale Dienstleistungszentrum in Wandsbek stellte Familie Behrens sogar einen Dringlichkeitsschein aus. Damit ist sie berechtigt, in eine Sozialwohnung mit bis zu elf Wohnräumen zu ziehen - theoretisch. "Das ist natürlich sehr schwierig, weil es so etwas kaum gibt", sagt Anne Bauer, 32, Sprecherin des Bezirksamts Wandsbek. Aber man versuche alles, um die Familie zu unterstützen.

Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft sieht das nicht als ihre Aufgabe. "Wir müssen nach den Vorgaben der Stadt handeln, sonst hat das für die Sachbearbeiter Konsequenzen", sagt Sprecher Horst Weise. Zwar gebe es Sonderregelungen, "aber darüber muss die Sozialbehörde entscheiden". Die hat jetzt den Fall an sich gezogen. Auf Abendblatt-Anfrage kündigte Behördensprecherin Julia Seifert an, dass eine Ausnahmeregelung geprüft werde. Immerhin ein Hoffnungsschimmer.

Die Behrens ärgert vor allem, wie mit ihnen umgegangen wird. "Der Leiter der Wohnungsnothilfe hat zu mir nur gesagt, er würde auch gerne in eine Villa ziehen, die andere für ihn bezahlen", erzählt Manuela Behrens. "Muss man sich denn so erniedrigen lassen, nur weil man Geld von der Arge bekommt?", fragt sie erregt, wird aber sofort wieder leiser.

Direkt nebenan schläft ihr Sohn Julian. Er ist um 4 Uhr morgens aufgestanden, weil er im Hafen arbeitet. Auch die anderen älteren Kinder sind berufstätig. "Wir sind eine ordentliche Familie", sagt Detlef Behrens. Diesmal klingt es wie ein Beweis.