Mehr Geld in der Familienpolitik führt nicht automatisch zu mehr Geburten. Die katholischsten Länder in Europa haben den geringsten Nachwuchs

1999 haben Frauen im gebärfährigen Alter in Frankreich im Durchschnitt 1,78 Kinder zur Welt gebracht. Im Jahr 2009 beläuft sich diese Zahl auf 1,98 und nähert sich damit dem Wert, der für eine stabile Bevölkerungszahl erforderlich ist. In Deutschland verläuft diese Entwicklung genau entgegengesetzt. Die Statistik verzeichnet 1,45 Kinder in 1990 und 1,36 Kinder in 2010. Ein wesentlicher Grund für die unterschiedliche Entwicklung liegt daran, dass die Zahl der Drei-Kinder-Familien in Frankreich gleich bleibt, während sie in Deutschland drastisch zurückgeht.

Lediglich in Irland haben die Kirchen noch einen gewissen Einfluss auf die Entscheidung der Paare über die Realisierung ihrer Kinderwünsche. Die Italiener sind fleißige Kirchengänger, doch die Sexualvorgaben aus Rom berühren sie überhaupt nicht. Ihre Geburtenraten gehören zu den niedrigsten in Europa. In Schweden hat die lutherische Kirche keinen Einfluss auf die Familienplanung. Und dennoch liegt die schwedische Geburtenrate etwa 30 Prozent höher als die Italiens und deutlich höher als bei uns.

Die öffentliche Unterstützung für Familien als Vergleichsmaßstab der nationalen Familienpolitik der westeuropäischen Staaten ist nur bedingt aussagekräftig. Bestenfalls ist sie ein Indikator für den Stellenwert der nationalen Familienpolitik. Skandinavien, insbesondere Dänemark, liegt vorn, dicht gefolgt von Frankreich. Die anderen, auch Deutschland, liegen unter "ferner liefen". Wir im guten Mittelfeld. Es ist keineswegs so, dass höhere Ausgaben für Familienpolitik quasi automatisch zu mehr Kindern führen. Heute können die jungen Paare entscheiden, ob sie, und wenn ja, wann sie wie viele Kinder haben wollen. Frauen sind keine Gebärautomaten. Oben wird Geld eingeworfen. Unten kommen Babys raus.

In Frankreich ist die Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten nicht weiter gefallen, eher leicht gestiegen. Obwohl die jungen Paare im Vergleich zu Deutschland ähnliche Probleme haben: hohe Mieten, höhere Lebenshaltungskosten als bei uns, Mann und Frau arbeiten beide. Aber die jungen Mütter können sich in Frankreich darauf verlassen, dass sie für ihre Kinder während ihrer Arbeitszeit eine vollwertige Betreuung erhalten. Ihr Beschäftigungsgrad ist in der EU Spitze. 44 Prozent der Mütter von drei oder mehr Kindern arbeiteten im Jahr 1983. Dieser Anteil war 2003 auf 67 Prozent gestiegen.

In Frankreich ist Familienpolitik ausschließlich Aufgabe des Staates. Eine einzige staatliche Institution ist zuständig. Die Politik "des dritten Kindes" wird ergänzt durch Maßnahmen der besseren Vereinbarung von Familie und Beruf. Bei uns wollen viele Institutionen mitbestimmen, von den Kirchen über die Wohlfahrtsverbände bis zu den Parteien. Selbst einzelne Bundesländer, vor allem Bayern, mischen sich ein. Eine ideologische, wenig zielführende Familienpolitik ist die Folge.

Den Deutschen ist nicht klar, was auf dem Spiele steht. Naiv ist es zu meinen, wir könnten unsere wachsenden Probleme durch eine massive Einwanderung technischer Intelligenz lösen. Um sie wird überall geworben. Warum sollen sie vor allem zu uns kommen? Im Übrigen wandern viele Fachleute aus. Naiv ist es auch, durch die Förderung der großen Zahl an Schulabbrechern unsere Lücke an Spezialisten zu schließen. Wir müssen diese Menschen fördern, damit sie ein selbstbestimmtes Leben führen können. Aber das ist eine andere Zielsetzung, als unseren Mangel an Spitzenkräften zu decken. Unser Ziel muss es sein, unser Land rundherum kinderfreundlich zu machen und so mitzuhelfen, die Geburtenraten zu erhöhen, auch wenn dadurch unsere akuten Probleme nicht bewältigt werden.

Schon der Familienbericht für das Parlament und die Bundesregierung von 2006 stellt fest: "Die finanziellen Aufwendungen, die die Bundesrepublik Deutschland an staatlichen Leistungen für Familien erbringt, haben jedenfalls bis heute nicht dazu beigetragen, dass junge Erwachsene in gleicher Weise wie in Frankreich, Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Großbritannien Kinder als Teil einer gemeinsamen Lebensplanung begreifen. Daher wird die Bundesrepublik mehr als andere europäische Länder mit den Folgen dieses demografischen Übergangs zu tun haben." Erste Vorboten dieser Probleme werden bereits sichtbar.