Marco Cabras, 41, ist Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Hamburger Abendblatt:

1. Der spanische Baukonzern ACS hat in der vergangenen Woche seinen Übernahmeversuch beim Essener Konkurrenten Hochtief offiziell begonnen. Jetzt tritt überraschend das Emirat Katar mit 9,1 Prozent als neuer Aktionär bei Hochtief auf. Wie bewerten Sie das als Interessenvertreter der Kleinaktionäre?

Marco Cabras:

Das ist für Hochtief als Unternehmen wie auch für die im Streubesitz vertretenen Aktionäre eine sehr gute Nachricht. Der Traum einer leichten Übernahme ist für ACS damit ausgeträumt. Katar ist für Hochtief der, wie man im Falle solch einer vom Management abgelehnten feindlichen Übernahme sagt, Weiße Ritter.

2. Übernahmekämpfe wie dieser treiben üblicherweise den Aktienkurs des Unternehmens, das übernommen werden soll, in die Höhe. Warum ist das in diesem Fall nicht so, und warum sind Sie als Aktionärsschützer gegen die Offerte von ACS?

Cabras:

Das Angebot von ACS, acht eigene Aktien gegen fünf von Hochtief zu tauschen, bewertet die Hochtief-Aktie bei rund 55,60 Euro, deutlich unter dem aktuellen Börsenkurs. Die Offerte ist völlig inakzeptabel. Wir fürchten, dass ACS nur an der Ausschlachtung von Hochtief interessiert ist.

3. Der Hochtief-Vorstand holt Katar in den Kreis der Eigner, indem der Konzern eine Kapitalerhöhung vollzieht. Ein wichtiger Effekt dabei ist auch, dass der Anteil von ACS von derzeit rund 30 Prozent auf etwa 27 verwässert wird. Wie ist das ohne die Zustimmung von ACS möglich?

Cabras:

Die Kapitalerhöhung, die der Vorstand nun mit Zustimmung des Aufsichtsrats vollzieht, geht auf einen sogenannten Vorratsbeschluss zurück, der dem Unternehmen die Erschließung von zusätzlichem Kapital ermöglicht. Den Beschluss hat die Hauptversammlung von Hochtief bereits im Mai, vor dem Übernahmeversuch von ACS, gefällt - auch mit Zustimmung von ACS. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass diese Kapitalerhöhung nun das Vorhaben der Spanier erschwert.

4. Rechnen Sie mit einem weiteren Vorstoß von ACS, wenn die aktuelle Offerte an die Hochtief-Aktionäre nicht die Erwartungen der Spanier erfüllt?

Cabras:

Wir hoffen, dass ACS den Versuch der feindlichen Übernahme nach dem Auftritt von Katar aufgibt.

5. Welche Perspektiven hätte denn Hochtief, wenn der Übernahmeversuch von ACS scheitert?

Cabras:

Die Aussichten von Hochtief haben sich durch die Beteiligung von Katar noch mal verbessert. Katar soll die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 austragen und braucht neue Stadien - und Hochtief ist eines der erfahrensten Bauunternehmen in diesem Bereich.