Bei den Adligen hängt der Haussegen schief. Nach einem Familienstreit musste die Polizei die Lage auf Schloss Friedrichsruh beruhigen.

Hamburg. Wenn ein Fürst Geburtstag feiert, dann herrscht Harmonie. Am vergangenen Montag beging Ferdinand Fürst von Bismarck auf Schloss Friedrichsruh im Sachsenwald seinen 80. Ehrentag. Glückwünsche schallten durch den Salon, Sektgläser klirrten. Es herrschte Harmonie, die Kulisse stimmte. Doch plötzlich ergriff Bismarcks Sohn, Graf Carl-Eduard, das Wort. Und entschuldigte sich vor versammelter Festgemeinde. Bei seinen Eltern, weil er ihnen so viel Kummer gemacht hat. Bei seiner Familie, weil er den Namen "Bismarck" in Misskredit gebracht hat, auch durch seine Alkoholprobleme.

Carl-Eduard von Bismarck hat den Zeitpunkt seiner Beichte bewusst gewählt. In dieser Woche kam heraus, dass im Oktober ein Familienstreit bei den Bismarcks derart eskaliert sein soll, dass die Polizei mehrere Stunden lang die Lage auf Schloss Friedrichsruh beruhigen musste.

Kummer, Alkoholprobleme, Bedrohungen - was ist nur los mit den Bismarcks? Kein deutscher Adelsname ist bekannter. Weil Otto von Bismarck als Schöpfer des Deutschen Reichs gilt, die Kirche vom Staat trennte, die Sozialversicherung einführte und die SPD verbot. Er wurde zum reichen Mann. Der Kaiser schenkte ihm aus Dankbarkeit den Sachsenwald, der heute eine Fläche von 6000 Hektar hat. Den Fürstentitel und das Rittergut Friedrichsruh bei Hamburg gab es als Zugabe.

Weltweit gibt es Hunderte von Bismarcks. Ihre Geschichte lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Der erste im Jahr 1270 urkundlich bekannte Familienangehörige trug den Namen Herbordus von Bismarck. Die Bismarcks stammen aus Stendal im Norden Sachsen-Anhalts. Sie waren Kaufleute und Ratsherren. Mit den Jahren wurden aus ihnen Offiziere und Beamte, Minister und preußische Fürsten. Der Stammsitz der Familie war das Gut Schönhausen.

Die Bismarcks führen in ihrem Wappen ein Kleeblatt. Es hat der Dynastie nicht immer Glück gebracht. Denn nachdem sich Reichskanzler Otto von Bismarck mit Kaiser Wilhelm II. verkracht hatte, verlor er seinen Job. Die beiden Weltkriege sollten die Familie in weitere Krisen führen. Doch zuvor griff der alte Herr noch beherzt in die Reichs-Schatulle: Historikern zufolge nahm er 231 000 Reichsmark mit in den Ruhestand. Ein Diebstahl als Grundstock für seine Erben.

Die beiden Söhne Herbert und Bill, die das Vermögen des Reichskanzlers nach dessen Tod 1898 erbten, überlebten ihren Vater nur um wenige Jahre. Eine größere Erwähnung verdienen Otto und Gottfried, Herberts Söhne. Otto war der Fürst nach dem Zweiten Weltkrieg, er bewirtschaftete den Familiensitz Friedrichsruh, der den Bismarcks noch geblieben war.

Die Sowjets hatten große Teile des Familienbesitzes im Osten enteignet. Fürderhin sollte sich das Bismarck'sche Leben um Schloss Friedrichsruh bei Hamburg abspielen. Ottos Bruder Gottfried war der Großvater von Stephanie Gräfin von Bismarck - der Ururenkelin des Reichskanzlers und der Frau des adligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg.

Zurück zu Fürst Otto von Bismarck, dem Enkel des Reichskanzlers: Sechs Kinder gingen aus seiner Ehe mit der schwedisch-stämmigen Fürstin Ann-Mari von Bismarck hervor. Berühmt wurden Fürst Ferdinand von Bismarck und seine Schwester, Gräfin Gunilla. Für die Verwaltung der Adels-Geschäfte ist Ferdinand zuständig, für den Glamour seine Schwester.

Gunilla Gräfin von Bismarck wanderte nach Spanien aus. Sie heiratete einen Spanier, betrieb Restaurants, moderierte im spanischen Fernsehen. Sie gehörte zum internationalen Jetset, fehlte auf keiner Party. Die heute 61-Jährige hat einen engen Draht zum schwedischen Königshaus.

Ihr Bruder Ferdinand lebt da ruhiger. Er war Immobilienunternehmer und Anwalt in Hamburg. Nach dem Tod seines Vaters Otto wurde er zum Fürsten und damit zum Familienoberhaupt der Bismarcks. Er kümmert sich um den Forstbetrieb. Zu seinen Bäumen hat er ein inniges Verhältnis. "Einen Baum zu umfassen gibt mir das Gefühl einer vollkommenen Umarmung", sagte er jüngst im Interview mit der "Welt". Auch sein Urgroßvater soll regelmäßig Bäume umarmt haben.

Mehr Kummer bereiten Ferdinand seine Kinder. Sein Sohn Gottfried kam 2007 unter mysteriösen Umständen in London ums Leben. Britische Zeitungen schrieben, er sei an einer Überdosis Heroin gestorben. Die Familie dementierte: Todesursache sei Herzversagen, verursacht durch einen epileptischen Anfall. Graf Gottfried war das schwarze Schaf seiner Familie: Er, der sich als schwul geoutet hatte, genoss das Londoner Nachtleben. Mal kam er in Lederhose, mal mit Netzstrümpfen. Zuletzt konnten ihn selbst seine Freunde nicht mehr ernst nehmen. "Graf Gottfried war ein wunderbarer Mensch", erklärte die Familie nach seinem Tod.

Dass Ferdinands ältester Sohn Carl-Eduard ein Sorgenkind ist, weiß man spätestens seit seinem Auftritt anlässlich des 80. Geburtstags seines Vaters. Schon als junger Mann zerlegt er seinen Alfa Romeo an einem Hochspannungsmast - er hatte 1,84 Promille Alkohol im Blut. Der Banker und Wirtschaftswissenschaftler genoss das Leben: Er zog mit Party-König Michael Ammer um die Häuser und umgab sich mit schönen Frauen. Er nahm an mehreren Autorennen teil. Nebenher dachte er an seine Wurzeln: 1999 brachte er eine "Fürst Bismarck Zigarre" auf den Markt. Danach zog es ihn in die Politik, er wollte in den Bundestag. Tipps dafür holte er sich bei Andreas Fritzenkötter, einst Sprecher von Helmut Kohl und ab nächster Woche Berater für politische Grundsatzfragen des Hamburger Bürgermeisters Christoph Ahlhaus. 2005 bekam der Graf ein Direktmandat für den Wahlkreis Herzogtum Lauenburg/ Stormarn-Süd. "Der Name Bismarck ist Ansporn und Verantwortung", sagte er damals. Doch schnell wurde er als "Deutschlands faulster Abgeordneter" verspottet, weil er nur selten an Abstimmungen teilnahm und derweil lieber feierte. 2007 zog er sich aus der Politik zurück und gründete in New York eine Beratungsfirma.

Solange der Graf in New York war, blieb es ruhig um ihn. Bis jetzt: Bei seiner spektakulären Entschuldigungsrede im Schloss Friedrichsruh kündigte "Calle" an, wieder nach Friedrichsruh zurückzukehren. Er will seine Position als Erstgeborener wieder einnehmen. Doch mittlerweile macht ihm sein Bruder Gregor dieses Vorrecht streitig: Der Drittgeborene führt ohnehin schon die Geschäfte im Forstbetrieb, sein Vater ist sehr zufrieden mit ihm.

Es geht um viel Geld: Das Vermögen der Familie wird auf eine Milliarde Euro geschätzt. Die Erben haben Teile des Sachsenwaldes an Eberhard von Rantzau verkauft. Der Wald garantiert den Bismarcks ständige Einnahmen. Die Familie nutzt ihren Namen, um Geld mit Korn, Wodka, Wein und Sekt zu verdienen. Die Fürst-Bismarck-Quelle gehört mittlerweile dem Nestlé-Konzern.

Auf seiner Homepage schreibt Graf Gregor von Bismarck, er lerne von seinem Vater "unseren Betrieb kennen, um diesen eines Tages zu übernehmen". Es klingt wie eine Kampfansage. Der Kampf um Friedrichsruh ist noch lange nicht zu Ende.