Thilo Weichert, 55, ist der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein.

1. Hamburger Abendblatt:

Google-Fans haben in Essen (NRW) mehrere Häuser, die von ihren Besitzern in Google Street View unkenntlich gemacht worden waren, mit Eiern beworfen. Wie groß ist diese Google-Fangemeinde?

Thilo Weichert:

Für mich hat es sich bisher noch nicht offenbart, dass es so was wie eine Gemeinde gäbe. Es gibt sehr viele Menschen, die im Internet sehr präsent sind, Google toll finden und das technische Angebot nutzen, aber dass diese sich organisieren oder militant würden, ist mir nicht bekannt. Und: Eier sind im Übrigen die schlechtesten Argumente.

2. Ist denn Anonymität im Internetzeitalter überhaupt noch möglich?

Weichert:

Anonymität im Netz muss möglich sein. Andernfalls wäre Datenschutz in unserer Gesellschaft nicht realisierbar. Es gibt eine Vielfalt von Instrumenten, die Anonymität gewährleisten. In dieser bedauerlichen Aktion in Essen sehe ich eher einen dummen Jungenstreich.

3. Auf der anderen Seite wurden bei Google Street View Gebäude, wie die Grünen-Parteizentrale in Berlin, unkenntlich gemacht, obwohl die Besitzer dies gar nicht wollten. Sind solche Pannen an der Tagesordnung?

Weichert:

Das ist keine Panne, sondern ein ganz gezielter politischer Akt, durch den jemand die Grünen ärgern wollte, da sich die Grünen sehr kritisch gegenüber Google betätigen und ebenso kritisch gegen Street View geäußert haben. Viele haben noch nicht verstanden, dass informationelle Gesetzesbestimmung zwei Seiten hat. Einmal zu entscheiden, ob man sich im Internet präsentiert, andererseits zu entscheiden, Informationen über sich nicht preiszugeben. Aktionen wie gegen die Grünen werden uns auch in Zukunft begleiten.

4. Nachträglich lassen sich gepixelte Fassaden nicht wiederherstellen. Ein Systemfehler?

Weichert:

Google geht so vor. Ob es sinnvoll ist, solch kurzfristiges Löschen vorzunehmen oder ob es technisch nicht anders machbar ist, kann ich nicht beurteilen. Dass jedoch langfristig die Bilder gelöscht werden, ist klar. Wenn sie nicht benötigt werden, haben sie auf Speicherplatten nichts verloren.

5. Im Internet drohen Google-Fans, gepixelte Häuser zu fotografieren und in Google Earth zu stellen. Ist diese Selbstjustiz im Internet zu stoppen?

Weichert:

Theoretisch wäre das zu stoppen, praktisch nicht, da solche Vorfälle ein Massenphänomen sein können. Dies würde wieder eine Diskussion über die Regulierung des Datenschutzes zur Folge haben. Es wäre ein wünschenswerter Effekt, sich über Pflichten und Rechte derer bewusst zu werden, die im Internet präsent sind.