Warum der Islam staatlich anerkannt werden muss.

Das mit dem Timing ist Pech. Da verhandelt der Hamburger Senat mehr als drei Jahre lang im Stillen mit den islamischen Verbänden über eine vertragliche Anerkennung und die Festschreibung von Rechten und Pflichten, ohne dass sich irgendjemand daran stört. Und jetzt, da der Vertrag - der erste seiner Art in Deutschland - kurz vor dem Abschluss steht, tobt eine hitzige Debatte über den Islam in Deutschland. Bürgermeister Christoph Ahlhaus, der doch angetreten war, das konservative Profil der CDU zu schärfen und so Wählerschichten zurückzuerobern, sieht die verbliebenen Konservativen in seiner Partei bisweilen hysterisch aufschreien, nur weil der Bundespräsident gesagt hat, der Islam gehöre mittlerweile auch zu Deutschland. Was werden die erst sagen, wenn sie hören, dass Ahlhaus den Islam sogar vertraglich anerkennen will und damit faktisch auf eine Stufe mit den christlichen Konfessionen stellt?

Blenden wir die aufgeregte Debatte mal für einen Moment aus und betrachten nüchtern die Tatsachen. In Hamburg leben rund 140 000 Muslime, von denen - man muss es in diesen Zeiten leider betonen - ein verschwindend geringer Teil islamistische Neigungen hat. Mit der katholischen Kirche, die rund 175 000 Mitglieder in Hamburg zählt, hat der Senat 2006 einen Staatsvertrag geschlossen. Wenn nun etwas Vergleichbares mit den islamischen Verbänden geschieht, so ist das nichts Revolutionäres. Es ist ein Stück Normalität.

Kann irgendwer etwas dagegen haben, wenn es künftig für islamische Strafgefangene auch islamische Gefängnisseelsorger gibt? Oder dass Muslime nur im Leichentuch und ohne Sarg beerdigt werden können? Zumal der Vertrag ein Geben und Nehmen ist. Es soll an den Schulen keinen gesonderten Islam-Unterricht für Muslime geben, sondern ein Fach Religion für alle Glaubensrichtungen. Das fördert das gegenseitige Verständnis.

Es ist ein echter Fortschritt, wenn jetzt ein Gutachter die beteiligten Gemeinden dahingehend überprüft, dass sie demokratisch organisiert sind und die fundamentalen Werte des Grundgesetzes akzeptieren. Nein, die staatliche Anerkennung des Islam bedeutet nicht das Leugnen der christlichen Traditionen oder deren Egalisierung. Es ist eine Einladung des Staates an eine bedeutende religiöse Minderheit, sich in unser Gemeinwesen zu integrieren und die fundamentalen Grundwerte anzuerkennen. Es nicht zu tun, wäre dagegen ein Signal der Ausgrenzung.

Christoph Ahlhaus sollte das Werk, das sein Vorgänger im Juli 2007 begann, zu Ende führen - und das unweigerlich einsetzende Geschrei ertragen. Dabei hilft ein Spaziergang zum Gänsemarkt und ein Blick auf das Bronzedenkmal von Gotthold Ephraim Lessing, den Schöpfer des weisen Nathan. Der träumte schon vor 230 Jahren von religiöser Toleranz. Ein Erbe, auf das Hamburg mit Recht schon immer stolz war.