Der Hamburger Hans Apel, 78, war Bundesfinanzminister, Verteidigungsminister und erfolgreich Schlichter bei Tarifstreitigkeiten.

Hamburger Abendblatt:

1. Ist die Verwirrung über die Frage Baustopp Ja oder Nein in Stuttgart zwischen dem Schlichter Heiner Geißler und Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus typisch für den Beginn eines Schlichtungsverfahrens?

Hans Apel:

Nein, ganz im Gegenteil. Wenn man erfolgreich schlichten will, muss man davon ausgehen, dass beide Parteien dieselbe Grundlage und dasselbe Interesse haben. Ich habe häufig bei Tarifauseinandersetzungen in der Bauwirtschaft geschlichtet. Da hieß es immer, wir wollen unseren Wirtschaftszweig in Ordnung halten, aber unterschiedliche Lohnerhöhungen durchsetzen und ein vernünftiges Ergebnis anstreben. Die Aufgabe des Schlichters ist es dann, die Prozesse abzukürzen und die Partner zurückzupfeifen, wenn sie ausbrechen.

2. Gibt es im Streit um Stuttgart 21 die von Ihnen erwähnten gemeinsamen Interessen?

Apel:

Keinesfalls. Denn die einen wollen weiterbauen und müssen das auch, weil es Verträge gibt und die Firmen bereitstehen und Schadensersatzklagen drohen. Die anderen wollen das alles verhindern. Deshalb halte ich eine Schlichtung hier nicht für machbar.

3. Ist es sinnvoll, bei so weit auseinander liegenden Interessen auf eine Schlichtung zu setzen?

Apel:

Das kann sinnvoll sein, wenn zum Beispiel einige Protestierer irgendwann einlenken und auf ein Ergebnis zielen, das nicht gleich das ganze Projekt infrage stellt. Sollte es anders sein, kann die Schlichtung keinen Erfolg haben. Dann ist es nur ein Hinausschieben des Prozesses der sich zuspitzenden Auseinandersetzung.

4. Ist ein Schlichtungsverfahren immer ein Beleg, dass sich die streitenden Parteien verrannt haben und vieles falsch gelaufen ist?

Apel:

Eigentlich nicht. Wenn ein Schlichter eingesetzt wird, muss er davon ausgehen, dass beide Seiten ein einvernehmliches Ergebnis erzielen wollen. In Stuttgart kann das Ergebnis aber nur sein, es wird weitergebaut. Nach meiner Überzeugung ist der Schlichtungsversuch so etwas wie ein politischer Trick, um anschließend Verantwortlichkeiten zuzuordnen nach der Melodie von Mappus, der sagen kann, wir haben alles versucht, aber mit euch geht es nicht.

5. Also ist die Schlichtung von Heiner Geißler eigentlich ein unmögliches Unterfangen?

Apel:

Nach meiner Überzeugung ja. Er selbst hat sich viele Steine durch seine Äußerungen in den Weg gelegt. Meine Prognose ist: Es wird noch ein paar Tage gestritten, dann zeigt sich, eine Schlichtung im eigentlichen Sinne gibt es gar nicht. In Stuttgart geht es nur um Ja oder Nein. Was soll man da schlichten?