Den Flüssen und Bächen geht es trotz großer Erfolge noch keineswegs gut. Jahrzehntelang wurden viele Gewässer als Abwasserkanäle genutzt.

Hamburg. " An de Alster, an de Elbe, an de Bill, Dor kann jeder eener moken, wat he will ..." Ganz so, wie es das Lied von Artur Schulenburg beschreibt, ist es nicht. Auch wenn Alster, Elbe und Bille jedem frei zugänglich sind und von vielen Hamburgern zur Naherholung genutzt werden - mit Hamburgs Gewässern darf nicht jeder machen, was er will. Immerhin machen die Wasserflächen in Hamburg rund acht Prozent des Staatsgebietes aus. Der Hauptanteil entfällt auf Fließgewässer und Hafen.

Eines haben sie gemeinsam: "Alle Hamburger Gewässer sind künstlich verändert", sagt Dr. Udo Rohweder, Chemiker am Institut für Hygiene und Umwelt. Die über weite Strecken unnatürlichen Fließgewässer sind für Tiere und Pflanzen oft lebensfeindlich. Jahrzehntelang wurden die Gewässer als Abwasserkanäle genutzt. Oder sie dienten der Entwässerung feuchter Wiesen. Zudem wurden Ufer oft befestigt, Biegungen begradigt. Der verbliebene Lebensraum ist durch Wehre und andere Bauwerke unterbrochen.

"Der Zustand der Gewässer ist schlecht", sagt Eike Schilling, Diplom-Geoökologe und Referent für Gewässerschutz beim Hamburger Naturschutzbund (Nabu). Um die Gewässer wieder zu "blauen Lebensadern" zu entwickeln, müsse vor allem etwas für die Strukturvielfalt getan werden. Begradigte, verbreiterte und vertiefte Gewässer ohne Überschwemmungsbereiche bieten Bewohnern und an den Bächen kaum Lebensraum, so Schilling. Eine "strukturelle Aufwertung der Gewässer" lasse aber auf sich warten.

Dabei hat die Europäische Union mit der "EG-Wasserrahmenrichtlinie" längst ein neues Fundament für die Gewässerschutzpolitik in Europa gelegt. Ehrgeiziges Ziel der Richtlinie ist die Erreichung des "guten Zustandes" aller Gewässer bis 2015. Ein Ziel, das Hamburg nicht erreichen wird.

Schon jetzt hat der Senat eine Verlängerung der Frist beantragt - für einige Projekte wie die Verbesserung der Gewässerstruktur am Scheidebach und die Arbeiten an der Wedeler Au bis 2021. Für die Durchlässigkeit der mittleren Bille sogar bis 2027.

Der geforderte "gute Zustand" ist aber mehr als sauberes Wasser. Der ganzheitliche Ansatz der Richtlinie betrachtet Ökologie und Lebensraum ebenso wie Wasserqualität und Wassermenge. Der Artenreichtum bei Pflanzen und Tieren weist auf einen intakten Lebensraum hin.

Umweltverbände, Unternehmen und Hamburger Bürger arbeiten gemeinsam an der Verbesserung ihrer Flüsse. An Gewässer-Nachbarschaftstagen helfen Anwohner und Ehrenamtliche bei der Renaturierung. Das größte Problem der Flüsse und Bäche ist oft gar nicht die Wasserqualität. Die ist dank moderner Kläranlagen und weiterer Umweltschutzmaßnahmen wieder so gut, dass ortstypische Fische gut darin leben könnten - wenn das Bachbett dem natürlichen Lebensraum entsprechen würde.

Die Qualität des Wassers wird in Hamburg vom Wassergütemessnetz (WGMN) überprüft. An zehn Stationen an Elbe, Bille, Alster, Wandse, Tarpenbek und Ammersbek werden Sauerstoffgehalt, pH-Wert, Leitfähigkeit, Trübung und Temperatur automatisch und kontinuierlich rund um die Uhr erfasst. In den besonders bedeutenden Stationen Bunthaus, Seemanshöft und Blankenese an der Elbe, dem Fischerhof an der Bille und der Station an der Wandse wird darüber hinaus ein biologisches Frühwarnsystem betrieben, das giftige Wasserinhaltsstoffe aufspürt.

Das sichtbarste Zeichen für ein Ungleichgewicht im Wasserhaushalt ist wohl die Blaualgenblüte in der Alster. Diese Algen treten zu jeder Jahreszeit in geringen Konzentrationen in stehenden und langsam fließenden Gewässern auf, vermehren sich aber besonders stark in den Sommermonaten. Haupteinflussfaktoren sind Wassertemperatur, Lichtverfügbarkeit und Nährstoffgehalt im Wasser. Je heißer und trockener der Sommer, desto höher die Wahrscheinlichkeit des massiven Algenwachstums.

Auch in der Elbe beeinflusst die Wassertemperatur die Wasserqualität. Je wärmer das Wasser, desto weniger Sauerstoff kann darin gelöst werden. Die durch die Elbvertiefung wieder häufiger auftretenden Sauerstofflöcher sowie die geplanten Kraftwerke an der Tideelbe haben das Thema "Wärmebelastung" wieder stärker auf die Tagesordnung gesetzt. Der "Wärmelastplan für die Tideelbe" soll Abhilfe schaffen.

Das Thema Wasser in Hamburg geht aber weit über Alster und Elbe hinaus. Regenwassermanagement heißt ein wichtiges Stichwort, wenn es um das kühle Nass geht. Expertin auf diesem Gebiet ist Elke Kruse, Diplom-Ingenieurin an der HafenCity-Universität (HCU). Sie warnt eindringlich vor einer weiteren Versiegelung von Flächen und einer Nachverdichtung. Problem: Kann der Regen nicht mehr im Boden versickern, fließt er in vollem Umfang in die Kanalisation. Die ist aber nur für eine bestimmte Wassermenge angelegt. Das kann, wenn man nichts tut, zu Überschwemmungen im Stadtgebiet führen. Ohne Sickerflächen und Regenrückhaltebecken fließt das Wasser - inklusive Schadstoffen, Brems- und Fahrbahnabrieb, Öl, Laubabfall, Blüten, toten Tieren - in die Flüsse und verunreinigt diese. Erste Ansätze, um eine Lösung für das Problem zu finden, würden gerade erst erarbeitet. "Hamburg hat nicht die Nase vorn, sondern noch sehr viel Potenzial", formuliert es Kruse. Städte wie Rotterdam, Portland und Melbourne seien sehr viel weiter und hätten "spannende Ansätze". Hamburg muss also noch viel lernen.