Die Politikerin Birgit Schnieber-Jastram gründete schon 2002 den Integrationsbeirat

Als Thilo Sarrazin 2001 aus dem Vorstand der DB-Netz - einer Tochter der Deutschen Bahn - entlassen war und gerade Finanzsenator in Berlin wurde, da schuf die Zweite Bürgermeisterin in Hamburg längst politische Fakten zur Integration. Birgit Schnieber-Jastram (CDU), von 2001 bis 2008 Senatorin für Soziales und in diesem Amt zuletzt abgekämpft, wirkt in diesen Tagen entspannt.

Es muss ein gutes Gefühl sein, einen Wechsel gestaltet zu haben, den man Jahre später noch richtig findet.

"Entscheidend war, Migranten selber über ihre Bedürfnisse beraten zu lassen, anstatt nur über sie zu bestimmen", sagt Schnieber-Jastram. Sonne scheint durchs Glasdach auf die vorbeieilenden Anzugträger in den Gängen des Europäischen Parlaments. Die CDU-Politikerin läuft mit ruhigen Schritten. Seit einem Jahr ist sie Abgeordnete in Brüssel. Aber an damals erinnert sie sich noch gut.

2002 gründete sie den Integrationsbeirat mit 45 Mitgliedern, Vertreter verschiedener Kulturen und Organisationen. Allerdings keine religiösen, auch islamische Gemeinden sind nicht beteiligt, was immer wieder diskutiert, aber bisher nicht aufgeweicht wird. Schnieber-Jastram lud damals zu einem Integrationsgipfel, zum Gefallen der oppositionellen Grünen. Das fand bundesweit Beachtung. Und Hamburg erließ als eines der ersten Bundesländer Leitlinien zur Integration.

"Für einige war das schon überraschend, schließlich galt die CDU nicht unbedingt als Partei, der man so etwas zutraute", sagt die 64-Jährige, die dem linken Flügel ihrer Partei zugerechnet wird. Integration sei dann gelungen, wenn Zuwanderer gleichberechtigt am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhätten, sagte sie damals.

Vor einer Dekade noch bestritten viele Unions-Spitzenpolitiker, dass Deutschland überhaupt Einwanderungsland sei. Erst 1998, mit der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder, sollte die Einbürgerung von Zuwanderern historisch erleichtert werden. Auch in Hamburg, zu diesem Zeitpunkt allerdings seit Jahrzehnten von der SPD regiert, war bis dahin wenig von Migrationspolitik zu spüren.

"Das Boot ist voll", sagte der damalige SPD-Bürgermeister Henning Voscherau in einer Diskussion über Asylbewerber - und bekam dafür mehr Applaus von rechts außen, als ihm hätte lieb sein dürfen.

Günter Apel, der "Ausländerbeauftragte des Senats" - so hieß das Amt damals -, zog Ende des 20. Jahrhunderts zum Abschied eine negative Bilanz. "Von einer Vision, einem Konzept für das Zusammenleben mit Ausländern ist nichts in Sicht." Damit meinte er auch seine eigene Partei.

Der Senat, so Apel, habe auch seinen Vorschlag nicht berücksichtigt, Zuwanderer zur besseren Integration in Mietwohnungen statt in Pavillon-Dörfern unterzubringen. Damals wurden Flüchtlinge, etwa aus Jugoslawien, in Containerdörfern im Stadtgebiet untergebracht. Das schien auch deshalb praktisch, weil diese provisorischen Dörfer schon seit der Wiedervereinigung standen. Eigentlich waren sie für Mitbürger aus Ostdeutschland gebaut worden.

"Damals kamen viele Zuwanderer in Schüben. Die wurden dann in ohnehin schon belasteten Gebieten untergebracht", sagt Birgit Schnieber-Jastram. Die CDU-Politikerin spricht freimütig über diese Zeit, in der noch die SPD am Ruder war. "Dieser Fehler wurde aber in vielen Städten gemacht", sagt sie.

So kamen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion viele russisch-stämmige Menschen, die vorzugsweise in Hamburgs Osten lebten. "Heute gibt es diese massiven Einwanderungswellen aber nicht mehr", sagt Schnieber-Jastram. Tatsächlich ist der Saldo negativ: Es gehen mehr Zuwanderer als kommen.

"Die Zuwanderung findet im Kreißsaal statt", jene Polemik des damaligen Ausländerbeauftragten Günter Apel ist nicht ganz falsch: In den 90er-Jahren hatten 16 Prozent der Hamburger einen Migrationshintergrund, heute sind es 25 Prozent. Hamburg setzt auf frühkindliche Bildung, darunter auch Sprachkurse. Auch wenn es deshalb irritiert, dass der heutige Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) die Gebühren für Kitas erhöht hat - laut Anmeldungen für das beginnende Kita-Jahr besuchen 94 Prozent der unter Vierjährigen eine Kita. Etwa die Hälfte von ihnen hat auf irgendeine Art ausländische Wurzeln. Fast alle von ihnen werden also staatlich erreicht.

"Das grundsätzliche Ziel sollte sein, dass Kitas eines Tages umsonst sind. Das ist aber bei dem derzeitigen Zustand der Haushalte nicht zu erreichen", sagt Schnieber-Jastram. Von der These Sarrazins, dass nachfolgende Generationen von Zuwanderern stärker in Abhängigkeit gerieten, will sie nichts wissen. Sie habe viele Kinder aus Migrantenfamilien erlebt, die ehrgeiziger seien als Kinder aus deutschen Mittelstandsfamilien.