Die Organisatorin Hourvash Pourkian führt Familien zusammen. Vor zehn Jahren hörte ihr keiner zu

Wenn Integration etwas mit Fischen zu tun hat, dann ist sie selbst der Köder. Ein iranisches Sprichwort fällt Hourvash Pourkian zu Migranten ein, die sich angeblich abschotten: "Egal, wann man den Fisch fängt, er ist immer frisch." Es sei also nie zu spät, Menschen einen Zugang zur "Mehrheitsgesellschaft" zu verschaffen.

1974 kam sie als Teenager aus Teheran nach Hamburg. Über eine Bekannte ihres Bruders fand sie deutsche Freunde. Der Rest ihrer Vita liest sich so, wie Thilo Sarrazin sich wohl alle Migranten in Deutschland wünscht: BWL-Studium, Chefin einer Textilfirma, Unternehmerin. Zwischen den Welten bewegte sich ihre Familie aber schon vorher. Gemeinsam mit ihrem Vater, einem Kritiker des iranischen Schah-Regimes, veröffentlichte sie 1998 ein Buch, das mehr Macht für Frauen in der Gesellschaft fordert.

Es ist die Sozialisation einer Bildungsbürgerin.

Hamburg, im Januar 2001: Im Wahlkampf war Hourvash Pourkian "gesellschaftliche Beraterin" des Bürgermeister-Kandidaten Ole von Beust (CDU). Die Schill-Partei erlangt aus dem Stand 19,4 Stimmen und bildet mit CDU und FDP die neue Regierung.

Sie hat große Hoffnungen. Aber erst mal passiert nichts.

"Viele CDUler haben mit dem Kopf geschüttelt und gesagt, ihnen seien durch die Schill-Partei die Hände gebunden", erinnert sich Pourkian, die keiner Partei angehört. Die Erinnerung macht die 50-Jährige, die viel lacht, noch heute zornig. Die "Partei Rechtsstaatlicher Offensive" hatte im Wahlkampf gepunktet mit einem "harten Vorgehen gegen kriminelle Ausländer".

Dabei hatte Pourkian schon damals erkannt, dass Zuwanderer sich zurückziehen, wenn niemand für sie Brücken baut. Dass es nicht immer gut sei, wenn sie nur untereinander wohnen und nur die Sender ihres Heimatlandes über Satellitenschüssel verfolgen. Zuwanderer geballt auf einem Raum unterzubringen, das war vor der Jahrtausendwende die Politik in vielen Großstädten.

Nicht Deutsch lernen, das bedeute, kein Selbstvertrauen entwickeln zu lernen. Deshalb suchten auch viele Zuwanderer eine Heimat in den Moscheen. "Aber zu viel Religion ist für keinen Menschen gut", sagt Pourkian, "das ist auch bei Christen so." Wenn Menschen leicht beeinflussbar werden, sei das gefährlich.

Der Einfluss der Schill-Partei schrumpfte offenbar, 2002 wurde jedenfalls der Integrationsbeirat gegründet. Pourkian war von Anfang an dabei. "Zunehmend beherzigten auch Politiker unsere Ratschläge", sagt sie.

Als Ole von Beust im Jahr 2006 in der "FAZ" davon sprach, er habe Angst vor "Pariser Verhältnissen", nach Jahren der Wirtschaftsförderung müsse man nun den Zusammenhalt der Bürger stärken, da hatte die Nicht-Politikerin längst die Kulturbrücke e. V. gegründet. Das Projekt "Switch" organisiert Begegnungen von Kindern verschiedener Herkunft. Mit ihren Eltern reisen sie vier Tage durch die Stadt. Da treffen Kinder aus Wilhelmsburg auf die Mittelschicht in Poppenbüttel. Mal gibt es südafrikanisches Essen, mal wird "typisch deutsch" gebastelt.

Erst sei ihr abgeraten worden, weil sie ja Sozialneid schüre, sagt Pourkian. "Aber Kinder sind frei davon, sie begegnen sich offen, das ist unsere Chance." Nun will sie auch Erwachsene zusammenführen. "Es gibt Eltern, die sind nicht mit einem einzigen Deutschen befreundet." Das müsse man sich vorstellen: in einem fremden Land leben, ohne Kontakt zu den Menschen. Wie unsicher man dann sei, auf "die anderen" zuzugehen.

Die größten Fehler der Vergangenheit seien überwunden, auch wenn längst nicht alles gut sei, sagt Pourkian. Über Mangel an Aufmerksamkeit kann sie sich nicht beklagen: 2008 zeichnete Bundespräsident Horst Köhler ihr Projekt als "Ort der Ideen" aus. Seinem Nachfolger Christian Wulff hat sie geschrieben, ob er Schirmherr werden wolle. Die Antwort steht noch aus.