Die letzte Fahrt der Straßenbahnlinie 2 wurde zu einen nostalgischen Fest und zur Demonstration für das Verkehrsmittel

Am Sonntag, dem 1. Oktober 1978, schlug das letzte Stündchen der Straßenbahn in Hamburg. Um 0.26 Uhr verließ die Linie 2 fahrplanmäßig den Rathausmarkt in Richtung Schnelsen. Techniker hatten in der Nacht die Bahn reparieren müssen, weil Souvenirjäger sie zu stark geplündert hatten.

Die Liebe der Hamburger zu ihrer Straßenbahn brachte 200 000 Menschen wie bei einem Staatsbesuch auf die Straße. Eine Stadt im Ausnahmezustand. Ein Pilgerzug, der mehr war als ein nostalgischer Abschied von der Vergangenheit. Es war auch eine Demonstration für das Verkehrsmittel Straßenbahn. Immer wieder legten Menschen ihre Hände auf die Straßenbahn oder streichelten sie. Unter den Tausenden an den Straßenrändern weinten einige. Andere riefen der Bahn "Hipp, hipp, hurra!" oder "Junge, komm bald wieder!" zu. Viele Menschen fuhren in Autos nebenher und filmten. Bürgervereine hatten Feste organisiert; die Feuerwehr lieferte heiße Erbsensuppe, Turnvereine zeigten Folklore.

Zwei Stunden brauchte "die 2" durch die Menschenmassen. Sogar auf Trittbrettern und Puffern fuhren die Fans mit. "Lokstedt Betriebshof" stand auf dem Richtungsschild der letzten Fahrt. Fahrer Werner Spies verkaufte 179 Fahrscheine als Souvenirs, bewies wie alle Hochbahner unendliche Geduld und Nachsicht.

"Es gibt wohl von keinem Hamburger Ereignis so viele Erinnerungsfotos: Hunderte von Kilometern Film wurden am Wochenende verfotografiert", schrieb das Abendblatt. Wieder arbeiteten die Souvenirjäger hemmungslos, und die Hochbahner sahen mit lachenden und weinenden Augen zu, wie die Wagen demontiert wurden. Immerhin ließ sich der damalige Hamburger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) angesichts der Massendemonstration doch zu einem nachdenklichen Satz hinreißen, als er in die laufenden Kameras sagte: "Es kann sein, dass das ein Fehler gewesen ist."

Im allerletzten Wagen mit der Aufschrift "Dank allen und Tschüß" fuhr Verkehrssenator Wilhelm Nölling mit. Dann kamen die Wagen ins Depot - mit mehr als anderthalb Millionen Kilometern auf dem Tacho. Dann in die Schrottpresse.

Gern wird in den Chroniken der Straßenbahn auf eine offizielle Untersuchung verwiesen, die zur Abschaffung führte: "Elektrische Verkehrsmittel verunreinigen die Luft in gewissen Situationen durch aufgewirbelten Staub."