Ein Kommentar von Iris Hellmuth

Der 23. August 2010, der Tag der letzten Loveparade, darf sich nicht wiederholen. Er muss eine Warnung bleiben an alle, die den Profit für wichtiger erachten als ein Menschenleben, die das Spektakel über die Sicherheit stellen. Umso verwunderlicher mutet deshalb das Argument an, mit dem das Bezirksamt Mitte die alte Fabrik im Gängeviertel sperrt: Man wolle nicht den Fehler machen, der in Duisburg begangen wurde.

Natürlich hat sich ein Bezirksamt um die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Doch muss man es ausgerechnet mit der schlampigen Planung der Loveparade vergleichen, bei der 21 Menschen starben? Als vor 21 Jahren 96 Fans des FC Liverpool im Hillsborough-Stadion auf tragische Weise ihr Leben verloren, nahm man dies zum Anlass, die englischen Stadien mit neuen Auflagen zu versehen. 96 Tote waren das beste Argument. Die neuen Auflagen veränderten den englischen Fußball so grundlegend, dass er den Großteil seines alten Charmes verlor. Nur wenige Maßnahmen hatten allerdings mit der Sicherheit in den Stadien zu tun. Sondern eher mit höheren Gewinnen für die Klubs.

In der deutschen Kunst- und Festivalszene deutet sich derzeit eine ähnliche Entwicklung an: Kleine Festivals werden von den Behörden mit dem Verweis auf Duisburg nicht mehr genehmigt. Das "3000° Festival" in Strasburg in der Uckermark - abgesagt. Die "Warnowtunnelparty 2010" in Rostock - gecancelt. Das "Seefest" in Senden bei Neu-Ulm - fällt aus. In jedem Fall ist der Vergleich mit Duisburg ein Fehler: Kleine Festivals können keine teuren Sicherheitskonzepte erstellen, brauchen sie im Grunde auch nicht. Sie funktionieren, weil die Gästeschar überschaubar ist und Helfer ihren Dienst ehrenamtlich tun. Noch nie ist es dort zu einer Panik gekommen, geschweige denn zu Verletzen. Die Toten der Loveparade 2010 müssen für immer eine Mahnung bleiben. Eines dürfen sie allerdings nicht werden: ein Totschlagargument.