In Bettina Mittelachers Gerichtskolumne geht es um kaum beachtete, aber spannende Prozesse vor dem Amts- und Landgericht.

Hamburg. Der Mann scheint ein ganz hartnäckiger Fall zu sein. Uneinsichtig und verbohrt. Einer, dem mit den üblichen Verwarnungen und Bußgeldern offensichtlich nicht beizukommen ist. Hoffnungslos. Jedenfalls dann, wenn es um das Telefonieren am Steuer geht. Da scheint Mehmet A. kein Halten zu kennen. Und vor allem kein Anhalten. Schon fünfmal war der 46-Jährige beim Autofahren mit dem Handy am Ohr erwischt worden, jedes Mal setzte es eine Geldbuße, und jedes Mal fiel die Forderung der Verwaltungsbehörde deutlich höher aus als beim vorherigen Verstoß. Wo ist bei Mehmet A. die Schmerzgrenze erreicht? Und vielleicht sogar endlich die Einsicht?

Diesmal waren es 320 Euro, die die Verwaltungsbehörden gegen den Hamburger wegen Telefonierens am Steuer verhängten, "da die üblichen Geldbußen offensichtlich nicht ausgereicht haben, um Sie zu ordnungsgemäßem Verhalten im Straßenverkehr anzuhalten", heißt es in seinem neuesten Bußgeldbescheid. Die hohe Geldbuße erscheine erforderlich, "um mit Nachdruck zu verdeutlichen, dass die Straßenverkehrsordnung nicht nur relative Bedeutung hat". Doch Mehmet A. ist offenbar auch kein Mann, der klein beigibt und stillschweigend bezahlt. Stattdessen hat er Einspruch gegen den Bescheid eingelegt. Jetzt ist es ein Fall für das Amtsgericht.

Dort sind Verstöße gegen das Handyverbot am Steuer häufiger ein Thema. Und den Richtern erstaunliche Geschichten nicht gänzlich unbekannt. "Manche sagen, es sei tatsächlich ein Rasierer gewesen, den sie benutzt hätten, andere erzählen von einem Kühlpaket, das sie sich an die Wange gehalten haben. Ich habe schon viel gehört", meint der Amtsrichter, nachdem Mehmet A. wortreich seine Version ausgebreitet hat. Demnach habe der 46-Jährige mit seinem Handy "ja gerade nicht telefonieren wollen", behauptet er. Es sei noch nicht einmal eine SIM-Karte darin gewesen. Mit dem Gerät habe er lediglich im Wagen Radio gehört, weil sein Autoradio kaputt sei, gibt er an. "Aber die Polizeibeamten wollten mir gar nicht zuhören, als ich das erklären wollte", beschwert sich der groß gewachsene Mann und sieht beleidigt drein.

Ein Polizeibeamter als Zeuge hat die Situation vom April dieses Jahres anders in Erinnerung. "Er hat nur gesagt, dass er nicht telefoniert habe", erinnert sich der Polizist. Bei einem Sondereinsatz an jenem Tag hätten er und zwei Kollegen "30 Verstöße gehabt, doch an diesen erinnere ich mich noch sehr gut", so der Zeuge. "Wir waren nicht mal 30 Sekunden im Einsatz, als uns dieser Mann mit seinem Handy auffiel. Da sagte ich zu meinen Kollegen: 'Das fängt ja gut an.'"

Ähnliches mag auch der Amtsrichter gedacht haben, als er im Vorfeld der Verhandlung einen Antrag des Anwalts von Mehmet A. auf den Tisch bekam, in dem der Rechtsbeistand die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Der Fall solle dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden, fordert er darin. Ein Argument des Anwaltes: Die Vorschrift, bei der Fahrt nicht zu telefonieren und beide Hände am Steuer zu halten, sei nicht tragbar, weil ja auch "Armamputierte, die nur noch einen Arm haben, Auto fahren dürfen", zitiert der Amtsrichter aus dem Antrag. Auch in seinem Plädoyer insistiert der Anwalt, er bezweifele, dass "eine Überprüfung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte".

Doch daran hat der Amtsrichter überhaupt keinen Zweifel. Die Verfassungsmäßigkeit sei schon mehrfach bestätigt worden, erklärt er. Und auch an der Schuld des Fahrers gebe es nichts zu rütteln. Ob er das Handy nur zum Radiohören am Ohr gehabt habe, sei "völlig unerheblich", weil schon gegen die Vorschriften verstößt, "wer ein Handy aufnimmt".

Laut einer Untersuchung der Bundesanstalt für das Verkehrswesen aus dem Jahre 1997 hat es im Jahr zuvor in Deutschland bei Verkehrsunfällen allein 20 Tote, 100 Schwerverletzte und 450 Leichtverletzte gegeben, bei denen die Benutzung des Handys nachweislich Unfallursache war.

Und so verurteilt der Richter Mehmet A. wegen verbotswidriger Benutzung des Handys am Steuer zu einer Geldbuße von 480 Euro. "Wir haben es hier mit einem Verkehrsteilnehmer zu tun, den die gesetzlichen Vorschriften überhaupt nicht interessieren", betont er. Mit seinen sechs Verstößen gegen die Vorschrift sei der 46-Jährige bei dem ursprünglichen Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde über 320 Euro "noch relativ günstig weggekommen. Hier vor Gericht wird es teurer." Er hoffe, schickt der Richter hinterher, "dass diese Geldbuße vielleicht auf Sie einwirkt. Obwohl ich daran meine Zweifel habe."