Veddeler Unternehmen Orca Maritime klebt Vinylfolien auf Schiffe und will Farbe überflüssig machen: “Wir tapezieren Korrosionsschutz“.

Hamburg. Einige Tonnen Farbe und Rost fallen vom Rumpf, wenn ein größeres Schiff in einem Dock für einen neuen Anstrich präpariert wird. Mit Beginn der Neulackierung müssen andere Arbeiten an der Außenhülle beendet sein oder verschoben werden. Das geht auch einfacher - mit Klebefolien aus Kunststoff. "Wir tapezieren Korrosionsschutz", sagt Manfred Haack, Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens Orca Maritime.

Es ist heiß an diesem Sommernachmittag auf der Veddel. In einem Gewerbehof an der Peutestraße liegen die Büroräume und die Werkstatt von Orca Maritime. Von hier aus wollen Haack und sein Mitgeschäftsführer Michael Sens die maritime Wirtschaft erobern. Und noch ein paar andere Branchen dazu. Mit einer mobilen Klimaanlage versuchen sie, das Büro von Sens zu kühlen. Das bringt wenig Erfolg, trübt aber nicht die gute Laune der beiden Inhaber. Die Geschäfte laufen rund.

Das Fundament dafür wurde in den 80er-Jahren gelegt. Der norwegische Unternehmer Tom Bentsen begann damals, großflächige Schriften mit selbstklebenden Folien an Schiffen anzubringen. Aus dem dekorativen Element entwickelte er einen effektiven Rostschutz: "Bentsen stellte bei der Reparatur einer Folie fest, dass sich darunter auch nach mehreren Jahren kein Rost gebildet hatte, anders als üblicherweise unter Farbanstrichen", erzählt Haack. "Das gab den Ausschlag dafür, dass er mit seinem Team eine bis heute einzigartige Folie für den Korrosionsschutz entwickelte und sie für die Anforderungen auf See optimierte: Sie muss hohen UV-Einstrahlungen durch das Sonnenlicht genauso widerstehen wie der salzhaltigen Umgebung und den teils starken Temperaturschwankungen."

Der Norweger verkaufte sein Unternehmen im Jahr 2008 an Haack und Sens, die zuvor als Repräsentanten für Orca Maritime gearbeitet hatten. Die beiden nutzten ihre langjährigen Kontakte in die maritime Wirtschaft und trieben das Geschäft voran. Haack, 59, war Schiffsmakler und hat unter anderem auch als Hafeninspektor gearbeitet. Sens, 49, fuhr früher zur See und machte sich später als Schiffsausrüster selbstständig. Die beiden erkannten das Potenzial der nur 100 Mikrometer dünnen Folie. Mehr als 100 Schiffe wurden bislang mit dem hauchfeinen Vinyl beklebt. Komplette Überwasserschiffsflächen zählen dazu wie bei der Helgoland-Fähre "Halunder Jet" der Flensburger Reederei FRS Helgoline, die von Hamburg aus die Nordseeinsel ansteuert. Unter Folie fährt auch die weltgrößte Trimaranfähre "Benchijigua Express" der Linie Fred Olsen von Teneriffa aus. "Mit dieser Folie sieht das Schiff brillanter aus als mit herkömmlicher Farbe", heißt es bei der Reederei. "Die Oberfläche ist sofort nach dem Aufbringen einsatzbereit und leicht zu reinigen." Auch Dekorationen und riesige Schriftzüge wie beim TUI-Kreuzfahrer "Mein Schiff" sind gute Klebevorlagen.

Auf Öltanks prangt die Orca-Maritime-Folie, die vom norwegischen Schiffs-TÜV Det Norske Veritas zertifiziert worden ist, ebenso wie auf Förderplattformen in der Nordsee. Die älteste Korrosionsschutzfolie trägt die Förderinstallation "Brage" vor Norwegen - seit 1997 bedeckt weißes Vinyl dort den Aufbau der Mannschafts- und Technikräume. "13 Jahre geben wir deshalb derzeit auch Garantie für den Korrosionsschutz", sagt Sens. "Denn diesen Zeitraum können wir beurteilen." Muss oder will ein Kunde das Design wechseln, wird einfach übergeklebt - anders als bei einer Lackierung, bei der Farbe und Rost aufwendig entfernt und die Fläche neu präpariert werden müssen.

Neben der Schifffahrt zeichnen sich dafür auch andere Märkte ab. Etwa die Wandversiegelung von Reinräumen in Pharmaunternehmen. Oder die stark wachsende Offshore-Windkraftindustrie. "Windturbinen auf dem Meer sind genau wie Hochseeschiffe permanent einem aggressiven, rostfördernden Klima ausgesetzt", sagt Haack.

Lange schon werden Folien eingesetzt, um Taxis oder Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge zu bekleben. Wenn Behörden oder Unternehmen die Autos später an Privatkunden verkaufen, zieht man die Folien üblicherweise ab; darunter kommt meist ein attraktiverer Farbton zum Vorschein als etwa Taxibeige. Aber auch für Werbung auf Bussen und Straßenbahnen eignen sich wetterbeständige Vinylfolien.

Anders als Folien für Autos oder Busse kann der Rostschutz von Orca Maritime nur schwer wieder entfernt werden. Bei einem Schiff macht das mehrfache Überkleben angesichts großer, glatter Flächen Sinn. Nicht nur für den Korrosionsschutz. Werbung auf Schiffsrümpfen, sagt Haack, sei ein kaum erschlossener Markt. Und auch unter Wasser wollen er und Sens aktiv werden. Mit der TU Harburg und der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt peilen sie die Entwicklung einer Antifoulingfolie für Schiffsrümpfe an.

Orca Maritime bezieht die Folien von einem Kunststoffhersteller. Die Spezifikationen, vor allem für den Kleber, geben Haack und Sens dem Produzenten vor. Die Folien kommen in handlichen Rollen von meist rund 1,20 Meter Breite in jeder gewünschten Farbe aus der Fabrik. In der Werkstatt von Orca Maritime werden die Kontingente für die einzelnen Projekte zusammengestellt und zu ihren Einsatzorten geschickt. Nur zehn Mitarbeiter benötigen Haack und Sens dafür in Hamburg. "Wir arbeiten mit Subunternehmern überall auf der Welt", sagt Haack. "Das sind zum Teil gelernte Werbetechniker und Dekorationsfachleute. Das Aufbringen der Folien funktioniert ähnlich wie das Tapezieren von Wänden."

Das Geschäft von Orca Maritime läuft, "es fällt auch ein bisschen was für uns ab", sagt Sens, ohne Umsatz und Gewinn zu nennen. Wichtiger findet er die Perspektiven des Unternehmens: "Der wachsende Zeit- und Kostendruck zum Beispiel in der Schifffahrt und steigende Anforderungen im Umweltschutz - das alles spielt uns in die Hände."