Möglicherweise hat der Senat bei den Kita-Gebühren getrickst.

An der Hamburger Kita-Politik lässt sich mustergültig ablesen, wie der Senat eine Stärke der Stadt in eine Schwäche verwandelt. Als erstes Bundesland im Westen hatte der vorherige CDU-Senat erkannt, dass eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung ein Standortvorteil ist - und ein zentraler Baustein in der Strategie der "wachsenden Stadt". Massive Investitionen und ein rechtsverbindlicher Betreuungsanspruch für Zweijährige sollten den Weg weisen. Und wie formulierte der schwarz-grüne Koalitionsvertrag noch so schön seinen ersten Satz (!) nach der Präambel: "Kindertagesbetreuung ist ein zentraler Bestandteil moderner Familien-, Bildungs- und Sozialpolitik."

Seit gestern dürfte klar sein: Das Wortgeklingel kann in den Reißwolf. Der Rechtsanspruch ist längst um drei Jahre verschoben und die zugegebenermaßen teure Kinderbetreuung ein zentraler Schauplatz des Kürzens, Streichens, Gebührenerhöhens. Pro Kind greifen in Kürze Erhöhungen von bis zu 100 Euro - und die treffen weit mehr Hamburger als bisher beteuert. Als Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) und GAL-Fraktionschef Jens Kerstan die kräftige Gebührenerhöhung begründeten, verwiesen sie darauf, nur fünf Prozent der Eltern (Wersich) beziehungsweise drei Prozent (Kerstan) müssten 100 Euro im Monat mehr zahlen - gerade so, als wären nur Reiche an der Elbchaussee betroffen.

Jetzt belegt eine Abendblatt-Recherche: In Bergedorf zahlen nach derzeitigem Stand 17 Prozent, im Bezirk Nord sogar 29 Prozent den Hunderter mehr. Man weiß kaum, was schlimmer ist: Haben die Politiker die Zahlen so schlecht im Griff, dass man sich derart verschätzen kann? Oder haben sie gar wider besseres Wissen die Unwahrheit gesagt? So viel ist klar: Dieser Zahlen-GAU gleicht einem Offenbarungseid.

Politisch ist die Gebührenerhöhung ohnehin einer. Während die millionenschwere Schulreform von Haushaltszwängen ungetrübt vorangetrieben wird, wird bei den Kleinsten zugelangt - bis zu 500 Euro Monatsausgaben für die Kleinkindbetreuung sind kein Einzelfall.

Dabei ist es gerade die frühkindliche Erziehung, die volkswirtschaftlich die höchsten Renditen bringt und die Chance eröffnet, soziale Ungleichgewichte abzumildern. Nur müssen Eltern sich eine Kita auch leisten können.