Bei der Euro-Rettung geht es mehr um Glaubwürdigkeit und Erfolg - auch für die Kanzlerin

Gelegentlich kommen Politikern Sätze über die Lippen, von denen sie den Rest ihres Lebens verfolgt werden und die sie im Nachhinein lieber nicht oder wenigstens anders gesagt hätten. Üblicherweise werden die Zitate von damals mit leicht ironischem Unterton von der politischen Konkurrenz als angeblicher Beweis des Irrtums, der Überheblichkeit oder gar Unfähigkeit zur Wiedervorlage gebracht.

Die Einlassung von Guido Westerwelle: "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein" ist so ein Satz, der die Umfragewerte des damaligen Vizekanzlers und FDP-Vorsitzenden in den Sturzflug kehrte. Unvergessen auch der 1996er-Wahlwerbeslogan des ehemaligen Arbeitsministers Norbert Blüm: "Die Rente ist sicher." Mit hessischem Akzent vorgetragen ist jedem Rezitator ein Lacher sicher. Oder wie wäre es mit Gerhard Schröder, der als Kanzler postulierte: "Ich rechne damit, dass es uns gelingt, bis zum Ende der Legislaturperiode 2002 die Arbeitslosigkeit auf unter 3,5 Millionen zu drücken." 2002 waren im Durchschnitt mehr als vier Millionen Menschen ohne Job.

Möglicherweise ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nun ein Satz für die Ewigkeit gelungen. Der FDP-Fraktion hat sie verkündet, Euro-Bonds als gemeinschaftliche Haftung für Schulden von EU-Ländern werde es nicht geben, "solange ich lebe". Die liberalen Abgeordneten, erklärte Gegner der Euro-Bonds, wünschten ihr umgehend "ein langes Leben". Langlebig wird aber vor allem der - nach Zeugenaussagen flapsig vorgetragene - Satz der Kanzlerin sein. Und sie dürfte ihn noch oft zu hören bekommen. Denn auf Flapsigkeit wird in der Politik keine Rücksicht genommen. Gesagt ist gesagt.

Einmal vorausgesetzt, der Kanzlerin droht nicht ein plötzliches Ableben, was ihr wohl nicht einmal ihre ärgsten Gegner wünschen, muss an dieser Stelle natürlich darauf hingewiesen werden, dass politische Ämter, auch das der Bundeskanzlerin, in Deutschland nicht auf Lebenszeit vergeben werden. Die Legislaturperiode endet im Spätsommer des kommenden Jahres. Damit möglicherweise auch ihre Regierungszeit. Die Einflussmöglichkeiten von der Oppositionsbank oder gar aus dem Ruhestand tendieren dann gegen null. Angenommen, Angela Merkel ist nicht nur mit guter Gesundheit und einem langen Leben gesegnet, sondern auch mit weiteren Amtsperioden, weiß zudem auch sie nicht mit Sicherheit, was die Zukunft bringt.

Und trotzdem muss sie nicht komplett falsch liegen - so wenig übrigens, wie die anderen genannten Zitate-Schöpfer. Denn erstens könnte sie ja tatsächlich die umstrittenen Euro-Bonds noch mit der ihr eigenen Beharrlichkeit verhindern. Zweitens können sie kommen, aber anders heißen. Modelle für eine Lightversion liegen ja bereits auf dem Verhandlungstisch. Drittens kann der Euro immer noch scheitern. Die ganze Debatte wäre dann obsolet.

Schließlich sei noch daran erinnert, dass Westerwelle nicht ganz unrecht hatte, bestimmt aber den falschen Ton wählte. Die umlagefinanzierte Rente ist immer noch sicherer als alle kapitalgedeckten Varianten - allerdings bei sinkendem Niveau. Gerhard Schröders Hartz-Reformen tragen heute ihre Früchte, anerkannt auch von Union und FDP. Nicht zuletzt ihretwegen gilt Deutschland heute als Musterland in Europa. Und trotz seiner kurzfristigen Fehlprognose wurde Gerhard Schröder 2002 wiedergewählt.

Auch für die Kanzlerin ist also noch alles möglich. Inklusive einer weiteren Kursänderung. Politik ist keine Frage von Tod oder Leben, höchstens eine der Glaubwürdigkeit. Und die wiederum wächst mit dem Erfolg. Stellt der sich ein, muss einen Politiker das Geschwätz von gestern nicht mehr groß kümmern.