Die Zahl der Behindertensportler in Hamburger Vereinen hat sich vervielfacht. Besuch bei einer Kindergruppe, die Rollstuhlbasketball spielt.

Hamburg. Schwere Kletterseile hängen von der Decke. Am Rand stehen Holzbänke. Es riecht nach alten Sportmatten, Turnschuhen, Schweiß. Sporthallenluft. Ein Basketball fliegt auf den Korb zu, die Gegner versuchen noch zu blocken, vergebens. Die erfolgreiche Mannschaft jubelt. Ein ganz gewöhnliches Training. Beinahe - die Sportler sitzen im Rollstuhl.

Anton ist einer von ihnen. Er gehört zu den mittlerweile fast 7000 Sportlern im Hamburger Behinderten- und Rehabilitationssportverband. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Das lege vor allem an den wachsenden Gesundheitssportangeboten, sagt Marten Malczak vom Hamburger Sportbund.

+++ 7000 Behindertensportler +++

Der 15-jährige Anton kann nicht laufen. Bewegung gehört trotzdem zu seinem Leben: "Das ist wichtig für mich. Wenn ich beim Sport bin, erlebe ich meine Grenzen." Seit mehr als zehn Jahren ist der Schüler schon dabei. Angefangen hatte er mit einem Mobilitätskursus. Der Umgang mit dem Rollstuhl will nämlich gelernt sein. Sekundenlang kann Anton heute sogar nur auf den beiden großen Hinterreifen das Gleichgewicht halten - eine wichtige Fertigkeit, um im Alltag zurechtzukommen. Denn nur wer das kann, wer kippeln kann, kommt auch ohne fremde Hilfe über einen Bordstein. "Einen Standardbordstein schaffe ich locker. Aber mein Vater will mir nie glauben, dass der Rolli das aushält."

Doch der Rollstuhl ist robust. Während des Spiels kann es passieren, dass Sportler samt Gefährt umfallen. "Es ist wichtig, dass die Kinder wissen, wie sie wieder reinkommen", sagt Übungsleiterin Lara van Haaren. Die 23-Jährige ist mit einem offenen Rücken, einer Fehlbildung des Rückenmarks und der Wirbelsäule, zur Welt gekommen. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen. Für sie ist er kein Hindernis, sondern ein Hilfsmittel, das sie mit Leichtigkeit beherrscht. Mittlerweile spielt van Haaren Rollstuhlbasketball auf Landesebene. In ihrer Freizeit leitet sie die Kinder- und Jugendgruppe, die in Altona trainiert. "Es ist wichtig, dass die Kinder unter Gleichgesinnten sind, sie werden so selbstbewusster und mobiler", sagt van Haaren.

Der siebenjährige Benno aus Altona ist seit einigen Monaten dabei und hat seitdem Kippeln gelernt. "Er kann jetzt besser Rollstuhl fahren als vorher", sagt seine Mutter Anja Forbriger. Fahrkünste zu verbessern ist für den Jungen nicht so wichtig, er macht mit, weil er sich viel bewegen kann und "einfach Lust dazu hat". Und schon düst er wieder los. Anton ist in der gegnerischen Mannschaft, versucht Benno zu blocken. Dieser kriegt trotzdem den Ball, legt ihn auf seinen Schoß, zieht den Rollstuhl zweimal an - mehr ist nicht erlaubt - dribbelt kurz und hält vor dem gegnerischen Tor. Konzentriert fixiert er den Korb, zielt, verfehlt. Das ist aber nicht schlimm. Es geht nicht um Leistungssport, die Freude am gemeinsamen Spiel steht im Vordergrund. "Mich macht es glücklich, wenn die Kinder lachen und sagen, es hat Spaß gemacht", sagt Lara van Haaren. Seit drei Jahren trainiert sie ihre "Rollis".

Doch die Gruppe ist auch offen für Fußgänger: "Wir hatten mal ein kleines Mädchen, das hatte Rollstuhlsport im Fernsehen gesehen und wollte das unbedingt auch machen." Das sei kein Problem, die "Fußgänger" werden dann mit Rollstuhl ausgestattet, und schon können die Kinder durchstarten. Eingeleitet wird das Training meist mit Spielen wie "Räuber und Gendarm". Aufwärmen gehöre dazu. "Das hier ist ein ganz normaler Sport, nur dass die Kinder im Rollstuhl sitzen", sagt van Haaren.

Sie selbst hat in der Gruppe, die sie heute trainiert, mit zwölf Jahren angefangen zu spielen. "Ich hatte schon immer einen Bewegungsdrang, bin dann so gut es ging Bäume hochgeklettert", sagt van Haaren. Heute studiert sie Soziale Arbeit in Hamburg und will sich in Zukunft auch beruflich für die Förderung von Kindern mit Behinderung einsetzen.

Anton träumt gerade von einem speziellen Basketballrollstuhl. Noch trainiert er nämlich in seinem Alltagsrollstuhl. Der hat aber keinen Blockschutz für die Füße und ist nicht ganz so robust und wendig wie ein spezielles Gerät. "Mit meinem Opa habe ich abgemacht, dass ich irgendwann bei den Paralympics mitmache", sagt Anton. Die erste Etappe auf dem Weg dahin hat er schon geschafft - der 15-Jährige spielt seit rund einem halben Jahr in der Rollstuhlbasketball-Oberliga. Der Kinder- und Jugendsportgruppe in Altona ist er aber trotzdem treu geblieben, weil "es so viel Spaß macht".