Stadt fehle bei geplanter 25,1-Prozent-Beteiligung der Einfluss auf die Energiekonzerne. Experten durften die Verträge nicht sehen.

Hamburg. Geht es nach den Sachverständigen, sollte sich Hamburg sehr genau überlegen, ob sich die Stadt tatsächlich wie geplant mit 25,1 Prozent an den Hamburger Versorgungsnetzen für Strom, Gas und Fernwärme beteiligen sollte. Das ist ein Ergebnis der gemeinsamen Sitzung des Haushalts- und Umweltausschusses im Kaisersaal des Rathauses. Um die vom Senat ausgehandelten Verträge bewerten zu können, hatten sich die Fraktionen fünf Sachverständige eingeladen.

Ben Schlemmermeier, von der Energieberatungsgesellschaft LBD in Berlin, hat dazu eine ganz klare Haltung: "Ich kann Ihnen nur empfehlen, machen Sie es nicht", riet er den Abgeordneten. Dabei gehe es nicht um die Frage, ob der Senat gut oder schlecht verhandelt habe. "Es wurde mit Sicherheit das Bestmögliche herausgeholt", so Schlemmermeier. Jetzt müsse aber das Aufsichtsratsgremium - in diesem Fall die Bürgerschaft - entscheiden, ob sie das will.

Zu einem ähnlichen Fazit kam Wolfgang Zander vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planungen in Aachen. "Ohne die Prüfung zahlreicher Punkte können Sie diesem Vertrag nicht zustimmen. Wenn Sie es trotzdem machen, ist das Ihre Sache. Aber Sie haben in diesem Konstrukt keinerlei operative Eingriffsmöglichkeiten", so Zander. Außerdem sei ihm angsichts der vorliegenden Daten "schleierhaft", wie die Stadt die Tilgung der für die Beteiligung notwendigen Kredite bezahlen wolle.

Und selbst die beiden von der Regierungsfraktion SPD benannten Experten aus Bremen, Monika Beckmann-Petey, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Büsing, Müffelmann & Theye, und der Wirtschaftsberater Carsten Monsees von Ernst & Young machten deutlich, das Land Bremen werde eine ebenfalls geplante 25,1 prozentige Beteiligung "nicht auf biegen und brechen" machen, sondern nur dann, wenn "die Rahmenbedingungen stimmen". Sollte sich für Bremen ein finanzielles Risiko ergeben, werde die Stadt von einer Beteiligung absehen und stattdessen nur die Konzessionen neu vergeben.

+++ Der Netze-Rückkauf +++

Das Problem der Experten: Die tatsächlichen Vertragsunterlagen durften sie vor der Befragung gar nicht sehen. Sie mussten das Geschäft zwischen Stadt und Energieunternehmen lediglich auf Grundlage der veröffentlichten Senatsdrucksache bewerten.

Auch die Bürgerschaftsabgeordneten, die die Verträge zwar in einem Datenraum ansehen durften, nicht aber zur Prüfung zur Verfügung gestellt bekamen, durften über das in den Verträgen Gelesene im Ausschuss und mit den Experten nicht sprechen. Trotzdem sollen sie am 18. April in der Bürgerschaft für oder gegen die Verträge stimmen. Ben Schlemmermeier nannte es "unsinnig, dass die Verträge nicht als Ganzes für die Diskussion zur Verfügung gestellt werden. Warum das geheim sein soll, kann ich nicht nachvollziehen." Vor allem der fehlende Einfluss der Stadt in den künftigen Netzgesellschaften von Stadt und Vattenfall beziehungsweise Stadt und E.on kritisieren die Experten. "Die zentralen Funktionen werden weiterhin von Vattenfall und E.on übernommen", sagte Schlemmermeier. So habe die Stadt weder Einflussmöglichkeiten auf den Wirtschaftsplan der Gesellschaft, noch habe die Stadt das Recht, einen Geschäftsführer zu benennen. Auch Wolfgang Zander wies darauf hin: "Es bestehen starke Abhängigkeiten. Sie können lediglich nach fünf Jahren einen Wirtschaftsprüfer die Geschäfte überprüfen lassen. Das geht nicht. Sie müssen operativ eingreifen können." Das größte Problem im Bereich der Fernwärme ist laut Experten die Tatsache, dass die Stadt ihr Rückkaufrecht an den Fernwärmenetzen für immer aus der Hand geben will. Mit Annahme der Verträge würden die Fernwärmenetze für immer in den Besitz von Vattenfall übergehen. "Das belastet Generationen. Das würde ich an Ihrer Stelle niemals entscheiden", so Schlemmermeier.

Der von der FDP benannte Experte Sebastian Spröer vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut riet grundsätzlich von einer Beteiligung an den Netzen ab. Die Energiewende sei eine Frage der Erzeugung und nicht der Verteilnetze. Diese Energiewende könne nur durch technologische Innovation erreicht werden, nicht aber durch eine Beteiligung an den Netzen. "Wenn die Stadt etwas tun möchte für die Energiewende, sollte die Stadt lieber in Forschung und Entwicklung investieren", sagte Ströer. Er sagte zur geplanten Hamburger Beteiligung an den Versorgungsnetzen: "Die vom Senat so verkaufte strategische Beteiligung ist weder strategisch noch eine echte Beteiligung, sondern eher eine Anleihe an die Energieunternehmen."