Ein Kosmetiksalon bietet Afterwork-Abende mit Botox-Behandlung an - trotz hoher Kosten und Risiken mit großem Erfolg. Ein Ortstermin.

Hamburg. Weiße Ledersessel, leise Chillout-Musik, das Klirren von Sektgläsern - zum Abend hin verwandelt sich das Kosmetikstudio in der Bleichenhofpassage in eine gemütliche Beauty-Lounge. An einem Stehtisch prosten sich sechs Damen im allerbesten Alter mit Prosecco zu. Sie tragen hohe Stiefel, große Handtaschen und viel Make-up. Ihr Auftreten ist nahezu perfekt. Aber anscheinend reicht das nicht. Sie sind nicht nur zum Vergnügen hier, sondern für eine Botox-Behandlung.

Zwei von ihnen erleben an diesem Abend ihre Premiere. Aufgeregt? "Nein, eher neugierig", sagt Monika Böhnke. "Ich habe so viele Falten, da kann eh nichts mehr schiefgehen." Ursprünglich habe eine Freundin den Termin an diesem Abend vereinbart, aber der sei etwas dazwischengekommen. "Also bin ich jetzt an ihrer Stelle hier", sagt die 49-Jährige, die direkt von ihrer Praxis in Norderstedt in die City gefahren ist. Sie ist Hundepsychologin.

Botox to go - ein Service, der mittlerweile von vielen Ärzten angeboten wird, um sich auf die Schnelle etwas dazuzuverdienen. Das Kosmetikstudio Beauty & Go ist die verlängerte Werkbank der Parkklinik Blankenese. "Viele Menschen haben Hemmungen, eine Schönheitsklinik zu betreten", sagt Dr. Michael Schikorski, Facharzt für Chirurgie an der Schönheitsklinik. "Abends in einen Beautysalon zu gehen fällt ihnen leichter."

Botulinumtoxin A, kurz Botox genannt, ist als Faltenkiller schlechthin bekannt. Ende der 1970er-Jahre zeigte der kalifornische Augenarzt Alan Scott, dass das Mittel, in winzigen Mengen injiziert, verkrampfte Muskeln lösen kann. Auf diese Weise kurierte er zunächst das Schielen von Patienten und später auch Lidkrämpfe. Botulinumtoxin A ist ein von natürlich vorkommenden Bakterien ausgeschiedenes Eiweiß. Für ästhetische Zwecke wird es mit feinsten Nadeln in den Muskel gespritzt, um Nervenimpulse gezielt zu blockieren und die Entstehung von Mimikfalten zu reduzieren. "Deshalb muss man rechtzeitig damit anfangen", rät Antje, eine 39-jährige Dozentin, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte. "Sonst graben sich die Falten ein, und dann kann auch Botox nichts mehr ausrichten." Sie lässt einmal pro Jahr ihre "Zornesfalte", die Gabelfalte zwischen den Augenbrauen, glätten. Heute möchte die blonde Frau auch ihre sich leicht nach unten neigenden Mundwinkel behandeln lassen.

Nach zehn Minuten hat Dr. Michael Schikorski seinen Vortrag beendet und sagt den entscheidenden Satz: "Wer sich zu einer Behandlung entschlossen hat, möge mir bitte nach oben folgen." Trefferquote 100 Prozent. Antje darf als Erste auf die Kosmetikliege. Das Spritzen dauert weniger als fünf Minuten, die geröteten Hautpartien rund um die Einstichstellen werden anschließend mit einem Kühlpad beruhigt. Bis zu einer Woche kann es dauern, bis sich die glättende Wirkung einstellt. Botox ist ein langsam einsetzendes Nervengift.

Ihre Freundin Gerrit tupft sich schnell ein wenig botorinhaltige Creme unter die Augen. "Botox? Klar habe ich gesundheitliche Bedenken. Aber ich trinke auch gern Caipirinha. Das ist auch nicht gesund, tut aber gut", sagt die 40-jährige Empfangssekretärin und - zu ihrem großen Leid - notorische Stirnrunzlerin. "Ich wurde häufig auf meinen skeptischen Gesichtsausdruck angesprochen, aber so bin ich gar nicht. Deshalb lasse ich die Falten wegspritzen. So habe ich hoffentlich nie wieder eine gerunzelte Stirn."

Es geht den Frauen also nicht nur darum, jünger und schöner auszusehen, sondern um eine positivere Ausstrahlung. Dafür nehmen sie erwiesene Risiken in Kauf. Zwar zählt Botox aufgrund seines hohen Gefahrenpotenzials zu den am häufigsten getesteten Wirkstoffen. Doch gelten Faltenbehandlungen als besonders sensibel, denn im Gesicht befindet sich eine Vielzahl kleiner Muskeln auf engstem Raum.

Wird falsch oder eine zu hohe Dosis injiziert, kann das Gift auf benachbarte Muskelgruppen übergehen. Die Folgen: Atem- oder Schluckbeschwerden sowie Augenprobleme oder starre Gesichtszüge - das sogenannte frozen face. Drei bis vier Monate dauert es, bis die erwünschte, aber auch die unerwünschte Wirkung nachlässt. Dann ist die nächste Spritze fällig - und die meisten tun es immer wieder.

Der Hamburger Schönheitschirurg klärt seine Kundinnen über Risiken auf. Es gibt durchaus kritische Nachfragen. Monika Böhnke will etwas zu den Auswirkungen auf Energiebahnen oder zum Abbau des Giftes im Körper wissen. So richtig beantworten kann er die Fragen nicht. Umso erstaunlicher, dass sich die Einsteigerin sofort bereiterklärt für die "Spritz-Tour".

Zuvor muss sie eine Einverständniserklärung unterschreiben. Nach der Behandlung bekommen die Kundinnen einen Botox-Pass, der das Datum, die Einstichstellen und die jeweils gespritzte Menge angibt. "Das ist praktisch", sagt Gerrit. "Falls ich mal umziehe und den Arzt wechsle, weiß der sofort Bescheid." Ob Botox-Spritze oder Zahnbehandlung - es scheint für sie kaum einen Unterschied zu machen.

Ein Hemmnis ist da nur manchmal der Kostenfaktor: Zwischen 200 und 1000 Euro kostet eine professionelle Behandlung. Neben Botox-Partys bieten einige Kliniken in Deutschland mittlerweile sogenannte Botox-Flatrates an, um ihre Kunden bei Laune zu halten. Gegen eine monatliche Gebühr von 39 bis 99 Euro können sich Patienten beliebig oft Botulinumtoxin spritzen lassen. Experten kritisieren zwar, dass die Qualität der Wirkstoffe und der Behandlung kaum überprüfbar sei. Doch wer die Wirtschaftskrise faltenfrei überstehen möchte, dem kommen solche Angebote wie gerufen.

Neuerdings zählen auch Männer zur Klientel. Dr. Michael Schikorski behandelt in der Blankeneser Klink viele männliche Kunden. Und das, obwohl die Behandlungen ungleich teurer sind als bei Frauen: "Durch die stärker ausgeprägte Muskulatur benötigt man fast doppelt so viele Injektionen", erklärt der Chirurg. "Männer stört vor allem die Zornesfalte, die das Gesicht grimmig aussehen lässt." Mittlerweile, da ist er sicher, sei gutes Aussehen für Männer im Berufsleben von großer Bedeutung. "Ich schätze, dass diese Falte häufiger der Grund für ein geplatztes Geschäft ist als ein misslungenes Golfspiel."