Die Elbphilharmonie liegt in der Hand von Juristen. Das verzögert den Bau weiter

Es ist wahrscheinlich seriöser, derzeit zu prognostizieren, wann der HSV wieder einmal Deutscher Meister wird, als vorherzusagen, wann die Elbphilharmonie eröffnet wird. Man weiß ja kaum noch, dass das Jahrhundertbauwerk an der Elbe eigentlich schon seit zwei Monaten fertiggestellt sein sollte. Am 30. November 2011. Da die Stadt drei Monate Bauzeitverlängerung auf ihre Kappe nimmt, ist der nächste geforderte Eröffnungstermin Ende Februar.

Natürlich werden auch in vier Wochen noch keine klassischen Klänge in dem spektakulären Konzerthaus erklingen. Dazu sind die Disharmonien unter den Parteien, von Partnern kann man schon lange nicht mehr sprechen, zu dominierend. In diesem Projekt ist von unten bis oben der Wurm drin. Und die Einzigen, die derzeit wirklich Spaß an dem Bauwerk haben, sind die Anwaltskanzleien der Beteiligten. Denn während die Arbeiten auf der Baustelle weitgehend stillstehen, können sich die Juristen seit zwei Jahren über mangelnde Aufträge nicht beklagen.

Warum das so ist, lässt sich am Beispiel der einzigartigen und am Ende gebogenen Rolltreppe dokumentieren. Sie wird die Besucher vom Erdgeschoss über eine Länge von 85 Metern durch eine Röhre ins 6. Obergeschoss bringen. Die futuristisch anmutende Verkleidung dieser Röhre mit einem aufwendigen Putzsystem und Tausenden von Glaspailletten wird bei den Touristen aus aller Welt irgendwann für viel Begeisterung sorgen. Da sie jedoch bereits kurz nach ihrer Fertigstellung im November 2009 von unten bis oben zahlreiche Risse aufwies, sorgt sie seit zwei Jahren erst einmal für den Stillstand der Arbeiten in diesem Bereich.

Es gibt zahlreiche solcher Bereiche in dem Bauwerk. Und überall läuft seit Monaten, manchmal seit Jahren, das gleiche Spiel ab. Der Generalplaner der Elbphilharmonie, die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, denkt sich wunderschöne Sachen aus, die das Bauwerk zu einem weltweiten Unikat machen. Und der Generalunternehmer, der Konzern Hochtief, mahnt nach Erhalt der Pläne immer wieder an: Gebt uns Unterlagen, nach denen wir so bauen können, dass die Dinge auch Bestand haben!

Und dazwischen sitzt der Bauherr, die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe. Über den die einen behaupten, er hätte die Architekten nicht im Griff. Und von dem die anderen verlangen, er solle dem Druck von Hochtief unter allen Umständen standhalten. Es gibt bequemere Positionen.

Wer aber hat wann recht? Und wer ist schuld an den aufgetretenen Mängeln? Wer verfolgt welche Absichten? Geht es dem Baukonzern bei der Weigerung, das Dach des Großen Saals abzusenken, um begründete Sicherheitsbedenken aufgrund einer mangelhaften statischen Planung oder um taktische Spielchen, um nicht für die Bauzeitverlängerung verantwortlich gemacht zu werden?

In diesem Millionenspiel werden solche Fragen mittlerweile fast ausschließlich von den Gerichten beantwortet. Gerade hat der Baukonzern Hochtief einen juristischen Sieg davongetragen. Bei den Rissen im Putz, so das Urteil im Beweissicherungsverfahren, sei zu 90 Prozent die mangelhafte Planung Ursache der Schäden.

Ob das ein Präzedenzfall ist für die weiteren Konfliktpunkte? Sicher scheint, dass es auch beim Streit um die Dachstatik zu einer richterlichen Entscheidung kommen wird. Fraglich ist, wie das Urteil ausfallen wird. Sicher ist, dass sich die Eröffnung, zuletzt war von Ende 2014 die Rede, weiter verzögert. Fraglich ist, ob der HSV vorher Deutscher Meister wird.