Eine 450.000 Euro teure Software kann präzise berechnen, wie sich Schadstoffe bei Chemieunfällen ausbreiten – auf 2,50 Meter genau.

Hamburg. Weißer Rauch stieg am 16. April 2011 über der Elbe auf und tauchte Teile der HafenCity in einen gespenstischen Nebel - Anlass zur Sorge gab es allerdings nicht.

Es war der finale Testlauf für eine Software namens CT-Analyst, die jetzt einsatzbereit ist. Mit ihrer Hilfe lässt sich schnell und genau vorhersagen, wie sich Schadstoffwolken - etwa nach Industrieunfällen oder terroristischen Anschlägen - über Hamburg ausbreiten. Seit gestern steht die Software der Feuerwehr zur Verfügung.

Bei der Simulation im April hatten die Forscher unter natürlichen Bedingungen geprüft, wie präzise die Software die Ausbreitung von Giftgaswolken vorhersagt. Ergebnis: Das Programm arbeitet auf 2,50 Meter genau.

Entwickelt wurde die Software vom KlimaCampus der Universität Hamburg, der Innenbehörde und dem Washingtoner Naval Research Laboratory. Die Bürgerschaft und das Bundesamt für Katastrophenschutz haben das 450.000 Euro teure Projekt finanziert.

Innensenator Michael Neumann (SPD) pries das Programm gestern im Rathaus als "wahres Leuchtturmprojekt" der Stadt an. Er sei hochzufrieden mit CT-Analyst sagte auch Feuerwehrchef Klaus Maurer: Zwei Jahre intensive Forschungsarbeit hätten sich voll ausgezahlt. So hatten die Forscher unter anderem im Windkanal getestet, wie sich Gase in einem Miniaturmodell der Hamburger Innenstadt verteilen. Denn neben der Windrichtung spielt vor allem die städtische Topografie eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung von Schadstoffwolken: Sie werden durch die Bebauung verwirbelt, kommen in breiten Straßen gut voran und steigen an Hochhausfronten auf.

Wie gut CT-Analyst funktioniert, demonstrierte Projektleiter Professor Michael Schatzmann, Fachbereich Technische Meteorologie der Universität Hamburg. Das Szenario: Auf der Elbe ist ein Schiff havariert, Ammoniak tritt aus. Dort, wo das giftige Gas schlagartig ausgetreten sein soll, markiert Schatzmann per Mausklick auf einer virtuellen Stadtkarte einen Punkt am Hafen. Der Forscher stellt Windrichtung und -geschwindigkeit ein, da schwillt schon in Echtzeit die simulierte Wolke an, bedeckt Teile der HafenCity und der Altstadt. Die Grafik zeigt durch farblich abgegrenzte Zonen die Giftgaskonzentration an. Wo wäre es jetzt am gefährlichsten? Purpur bedeutet Lebensgefahr, grün geringe Gefahr. Die Software sei so programmiert, dass sie aufwendige Berechnungen extrem schnell bewältige. "Damit wissen wir im Ernstfall genau", sagte Maurer, "welche Bereiche der Stadt wir absperren oder sogar evakuieren müssten."