Ein Jurist der Hamburger Kulturbehörde belastet Hochtief: Der Baukonzern habe beim Preispoker vertrauliche Papiere der Stadt besessen.

Hamburg. Der Vorwurf klingt ungeheuerlich, doch er steht im Raum, liegt sogar schriftlich vor: Bei den Nachverhandlungen über den Weiterbau der Elbphilharmonie , die 2008 mit einer Verdreifachung des Preises für die Stadt endeten, soll der Baukonzern Hochtief im Besitz einer streng vertraulichen Unterlage der Stadt gewesen sein, aus der ihre Verhandlungsposition hervorging. So stellt es der Jurist der Kulturbehörde, Jochen Margedant, dar, der an den Verhandlungen teilgenommen und über den mutmaßlichen Geheimnisverrat einen Vermerk angefertigt hatte.

Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft wird mit Zustimmung des SPD-Senats heute seine Zeugenaussage verlesen. Nach Abendblatt-Informationen schildert Margedant darin ein Treffen am 27. September 2008, an dem er selbst, der damalige Kulturstaatsrat Reinhard Stuth (CDU) sowie Dieter Peters, Geschäftsführer der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe, sowie auf der anderen Seite der damalige Hochtief-Vorstandsvorsitzende Henner Mahlstedt, der Hamburger Hochtief-Chef Thomas Möller und Christian Gorris von der Immobilienfirma Commerzleasing teilgenommen haben. Darin ging es um den sogenannten Nachtrag 4, also die vierte und bis heute gültige Überarbeitung der Verträge zwischen der Stadt, den Architekten und dem Baukonzern.

Margedants Aussage zufolge hat einer der drei Verhandlungspartner - welcher, weiß er nicht mehr - plötzlich "eine Unterlage hochgehalten", die ihm sehr bekannt vorkam. Es habe sich nach seiner Wahrnehmung dabei um ein Dokument gehandelt, das von der ReGe für eine Sitzung des Aufsichtsrats der Elbphilharmonie Bau KG am 10. September 2008 erstellt worden war. Die Bau KG ist der offizielle städtische Auftraggeber des Projekts. Margedant sagt aus, er habe Peters später auf den Vorgang angesprochen - und auch der ReGe-Geschäftsführer habe das Papier für eine Unterlage der Bau KG gehalten.

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Von dem Dokument gab es mehrere Fassungen. In der ersten stand, dass die Stadt Mehrkosten von 90 Millionen Euro akzeptieren würde, in einer späteren war nur noch von bis zu 72 Millionen Euro die Rede. Welche Fassung die andere Seite hatte, konnte Margedant nicht sehen. Aber Hochtief-Chef Möller habe in den Verhandlungen auch "Bezug genommen" auf die Unterlage, so die Zeugenaussage des Juristen. Sollte seine Vermutung zutreffen, hätte Hochtief einen großen Vorteil in den Verhandlungen gehabt.

Tatsächlich war es für die Stadt extrem hart gekommen: Mit dem Nachtrag 4 stiegen die Kosten für sie von 114 auf 323 Millionen Euro. Von den Mehrkosten entfielen 137 Millionen Euro auf die Leistung von Hochtief, 20 Millionen auf die Architekten und 52 Millionen auf eigene Kosten der Stadt.

Der mögliche Geheimnisverrat war bereits im Herbst kurz mündlich im Untersuchungsausschuss angesprochen worden. Damals hatte Hamburgs Hochtief-Chef Möller bestritten, die Unterlage zu kennen, und betont, er halte es für "ausgeschlossen", dass jemand Hochtief so ein Dokument zuspiele. Der Ausschuss hatte daraufhin Margedant gebeten, seine Sicht der Dinge schriftlich mitzuteilen. Und mit dieser schriftlichen Zeugenaussage bekommt der Vorgang nun neue Brisanz. Im Raum steht die Vermutung, dass ein "Maulwurf" aus der ReGe, der Behörde oder der Bau KG die Gegenseite mit Informationen versorgt haben könnte.

Hochtief-Sprecher Bernd Pütter wies das auf Abendblatt-Anfrage zurück. "Ich halte das für abwegig. Wir stehen für faires Unternehmertum und verschaffen uns nicht auf unlauterem Weg Vorteile." Für eine genaue Bewertung wolle er aber die Verlesung der Aussage abwarten. Die öffentliche Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beginnt heute um 16 Uhr im Rathaus.

Nach Angaben der "Welt" sind 450 Firmen vom Baustopp betroffen. Dazu gehören auch viele Hamburger Unternehmen und Spezialfirmen.