Nur gemeinsam mit der Politik können die Vereine die neue Welle der Gewalt stoppen

Wenn sich bisher Gewalt im Fußball breitmachte, ähnelten sich die Reaktionsketten zumeist: Wahlweise wurde das Fehlverhalten der sogenannten Chaoten oder das harte Eingreifen der Beamten kritisiert. Was folgte, war oft oberflächliches BlaBla von Funktionsträgern und Medien nach dem Motto: "Die Gewalt hat eine neue Dimension erreicht" oder "Das ist ein gesellschaftliches Problem". Geändert hat sich in der Folge allerdings wenig bis gar nichts. Nach den heftigen Fankrawallen in Alsterdorf rund um das traditionsreiche Hallenturnier dürfte jedoch dem letzten Träumer klar geworden sein, dass ein kollektives Ignorieren der gefährlichen Entwicklung im Fußball auf Dauer zu immer neuen Eskalationen führen und der Sport so auf Dauer massiv beschädigt wird.

Zuerst einmal müssen die vielen klischeehaften Gedanken ausgemistet werden, die sich im Laufe der Jahre angehäuft haben. Den Wegfall von Stehplätzen in Fußballstadien zu fordern löst das Problem ungefähr genauso gut wie das Aufstellen einer Kerze im Fanblock.

Dennoch gäbe es eine Reihe von sinnvollen Sofortmaßnahmen. Wenn nicht für eine Trennung von rivalisierenden Gruppen gesorgt werden kann, darf es in einer solchen Halle in Zukunft eben keine Veranstaltungen mehr geben. Auch wenn das Aus des Turniers in der Sporthalle noch so zu bedauern ist. Ob 60-jährige Frauen als Aufpasser bei einer solchen Veranstaltung richtig eingesetzt sind, ist eine weitere Frage, die mit Nein zu beantworten ist. Kein Wunder, dass der Ordnungsdienst im Versuch, die Situation zu deeskalieren, teilweise völlig überfordert war.

Punkte wie ausgesuchte Veranstaltungsstätten oder geschultes Sicherungspersonal kratzen aber allenfalls nur an der Oberfläche. Immer häufiger zeigt sich, dass der Fußball, ob in der Bundesliga oder in den Amateurklassen, als Spielwiese für junge Menschen missbraucht wird, die ihre Selbstverwirklichung darin suchen, Aggressionen gegen andere auszuleben.

Diesem Suchen nach dem besonderen Kick sind Sportveranstalter, ob beim Schweinske-Cup, in der HSV-Arena oder am Millerntor beim FC St. Pauli, hilflos ausgesetzt. Schließlich drückt sich mit der Gewalt unter anderem das Scheitern aus, möglichst allen Menschen ein Lebensziel zu bieten und für ein bestimmtes Bildungsniveau zu sorgen, das auch Werte wie Gemeinschaftssinn vermittelt. Die Realität sieht leider so aus, dass eine immer größere Gruppe von Menschen als Betäubungsmittel gegen die tägliche Langeweile oder Frust über fehlende Perspektiven auf extreme, rauschhafte Erlebnisse setzt, ob mithilfe von Drogen oder Gewalt. Diese Problematik betrifft ohne Ausnahme alle Klubs, auch wenn gerne am Schöne-Welt-Image St. Paulis gebaut wird.

Der Sport könnte ein wichtiger Klebstoff unserer immer haltloseren Gesellschaft sein, obwohl sich besonders im Profifußball immer mehr Auswüchse unserer Egoismus-Gesellschaft breitmachen. Es lohnt sich, um die guten Werte des Sports wie Fairness, Respekt und Integration zu kämpfen. Doch dazu bedarf es jetzt auch eines klaren Bekenntnisses der Politik. Es ist ein Skandal, dass der Sport bis heute nicht im Grundgesetz als schützenswertes Gut verankert worden ist - und auch nicht in der Hamburger Verfassung, als einzigem Bundesland übrigens. Ein Umstand, der darauf hinweist, dass der Sport von zu vielen Menschen als im Grunde bedeutungslose Form der Unterhaltung und Zerstreuung angesehen und in seiner Bedeutung für die Menschen total unterschätzt wird.

Natürlich wäre diese Aufnahme in das Grundgesetz nur ein erstes, aber gewaltiges Zeichen gegen das Wegschauen, das aber als Initialzündung dienen könnte für ein Umdenken. Der Sport, vor allem der Breitensport, braucht mehr öffentliche Mittel, um mithelfen zu können bei der Bewältigung der Probleme unserer Zeit. Er braucht Geld für moderne Begegnungsstätten und deren Betreibung. Nur so kann sich wieder auf Dauer die Schönheit des Sports entfalten.