Die Konzernzentrale von Esso ist neben das Künstlerquartier gezogen. Sie beschwert sich über Müll und mangelnden Brandschutz.

Es sind nur zwei, drei Schritte von der Tiefgarage, die zum schicken BrahmsQuartier gehört, zu den verfallenden Künstlerhäusern des Gängeviertels . Doch dazwischen liegen Welten. Männer in Geschäftsanzügen mit Aktenkoffern treffen hier auf papageienbunt gekleidete Künstler, die sich in Liegstühlen sonnen, lesen, trinken, malen und ausgelassen palavern.

Die Fahrradwerkstatt im Souterrain eines der Künstlerhäuser boomt. Mechaniker reparieren die Räder auch auf der Straße. Hier ist einer der Treffpunkte des Viertels. Lieferanten und viele Freunde kommen. Baumaterial, wie Holzlatten und Kisten, liegen hier auf einer Brachfläche herum, dahinter sind ungepflegte Bauwagen und ein altes Wohnmobil geparkt.

An den Wänden der historischen Häuser sind nicht nur die flotten Kunst-Sprüche ("Sieht doch gut aus") sondern auch Graffiti gesprüht worden. In großen Blumenkübeln steht ein Hund aus Holz ("Drogenhund") und ein Schild ("Protest").

Vieles davon ist den Anliegern ein Dorn im Auge. Die neuen Nachbarn der Künstler zogen gestern Morgen ein: 350 Mitarbeiter der Deutschland-Zentrale von Esso, die ihr Quartier in der City Nord verließen. Ebenso wie andere Nachbarn aus den neu gebauten Wohnhäusern hat sich Esso beim Bezirk Mitte über das Gängeviertel beschwert, das seiner Ansicht nach verkommt und ein Sicherheitsproblem darstellt.

Esso warnt nach Abendblatt-Informationen vor einer Brandgefahr, die von herumliegenden Gegenständen und Wohnmobilen ausgehe. Der Konzern weist darauf hin, dass er den Mietvertrag vor zwei Jahren vor dem Hintergrund einer baldigen Totalsanierung geschlossen hat. Am frühen Vormittag trafen sich auch Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU), Bezirkschef Markus Schreiber (SPD) und Vertreter der Kulturbehörde zu einer Begehung des Viertels. "Wir wollen ohnehin mit der Bauprüfabteilung das Viertel besichtigen", sagte Markus Schreiber dem Hamburger Abendblatt, "weil sich Anwohner über Müll und die Bauwagen beschwert haben. Ich glaube jedoch, dass die Aufregung von Esso übertrieben ist und wir das schnell geregelt bekommen." Esso hat nach Informationen des Abendblatts auch auf Sicherheitsbedenken der Mitarbeiter und des Esso-Betriebsrats hingewiesen. Eine offizielle Stellungnahme von Esso war gestern nicht zu erhalten.

"Die Bauwagen kommen in der nächsten Zeit weg", sagt Christine Ebeling, Sprecherin der Künstler-Initiative, dem Abendblatt. "Wir werden auch Gespräche mit den Nachbarn suchen." Ein erstes Gespräch mit den Esso-Mitarbeitern scheiterte gestern Abend, weil Brot und Salz als Begrüßungsgeschenk nicht angenommen worden seien.

Andere Aktivitäten der Nutzer des Gängeviertels entwickeln sich anscheinend erfolgreicher: "Die Gespräche mit den Künstlern laufen gut. Die Initiative hat viele sehr gute Vorschläge, die wir abarbeiten", sagt Enno Isermann, Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde. Isermann erwartet, dass der lang ersehnte Vertrag zwischen Hamburg und der Künstlerinitiative im August geschlossen werden kann. Das erwarten auch die Künstler. Sprecherin Christine Ebeling: "Wir sind sehr zuversichtlich." Einer der Knackpunkte liegt in der von der Stadt geforderten Zusammenarbeit der Künstler mit dem privaten Sanierungsträger Steg (Stadtentwicklungsgesellschaft).

Vor Monaten hatten die Künstler die Steg noch abgelehnt. Jetzt heißt es: "Wir werden zusammenarbeiten." Zurzeit arbeiten 20 Künstler an der Sanierung des Viertels. "Es geht in erster Linie um Notreparaturen und eine Bestandsaufnahme, was zuerst saniert werden soll", sagt Christine Ebeling. Zwei Gruppen teilen sich die Arbeit. Die eine Gruppe kümmert sich um die Sanierung und Bestandsaufnahme, die zweite um ein Finanzierungskonzept, die Aufteilung und Nutzung der Räume sowie um inhaltliche Fragen. Die Künstler im Viertel bitten weiter um Sachspenden wie Baumaterial, Pflanzen und Erdreich, um die Brachfläche zu gestalten.

Dringend suchen die Künstler auch Menschen, die ihnen bei der Büroarbeit helfen. "Wir versinken in dieser Papierarbeit, weil an den alten Häusern so viel zu tun ist", sagt Christine Ebeling.