Eine Städte-Vergleichsstudie des HWWI sieht die Hansestadt vorn. Nur die hamburger Schulen kriegen ein mieses Zeugnis.

Hamburg. Nun hat es Hamburg quasi amtlich, wissenschaftlich und statistisch belegt: Es lohnt sich, hier zu leben. In Sachen Lebensqualität kann von den sechs größten deutschen Städten nur Berlin Hamburg das Wasser reichen - das ist das Ergebnis einer Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) im Auftrag der Haspa.

Die Umweltbedingungen in Hamburg - top. Die Zahl der Wasser- und Erholungsflächen in der Hansestadt - spitzenklasse. Auch wirtschaftlich sieht es gut aus: Nur in Berlin ist der Abstand der Gehälter bei Männern und Frauen genauso gering wie in Hamburg, nur München hat seit dem Jahr 2000 mehr Einwohner gewonnen. Was die gestern vorgestellte Studie "L(i)ebenswertes Hamburg" aber auch deutlich macht: Im Bereich Bildung hat die Hansestadt gewaltigen Nachholbedarf.

Wie lässt sich Lebensqualität anhand "messbarer Kriterien" ermitteln? Wofür steht Lebensqualität überhaupt? Umwelt, Freizeit, Wohnen und Familie - das sind nach Meinung von Silvia Stiller, Volkswirtin und Autorin der Studie, die Bereiche, die die Attraktivität einer Stadt spiegeln, sie lebenswert machen. Anhand von 22 Positionen verglich sie die sechs größten Städte Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Stuttgart. Ergebnis: Sechsmal hat Hamburg im nationalen Städtevergleich die Nase vorn. Nur Berlin war mit einer weiteren Erstplatzierung erfolgreicher. Im Ranking folgen Stuttgart, Köln, München. Frankfurt hat mit nur einem "Top-Titel" die rote Laterne.

Weil die Bevölkerungszahlen sinken, seien die deutschen Metropolen dringend auf Zuwanderung angewiesen, sagte Stiller. Künftig würden Großstädte um Einwohner konkurrieren müssen. Metropolen, die nicht mit hoher Lebensqualität als urbanem Pluspunkt wuchern können, hätten dann das Nachsehen. Hamburg werde in den nächsten Jahren wohl nur um 55 000 Menschen wachsen - "das ist nicht das, was man sich unter einer wachsenden Stadt vorstellt", sagte Stiller, betonte aber: "Diese Prognose ist nicht in Stein gemeißelt."

Gute Noten erhält die Hansestadt im Bereich Freizeit. In keiner der untersuchten Großstädte stehen den Einwohnern so viele Erholungs- und Wasserflächen zur Verfügung - Frankfurt hat gerade mal halb so viel. Auch das Theaterangebot kann sich sehen lassen - Platz zwei im Städtevergleich. "Kürzungen im Kulturetat könnten Hamburg dauerhaft schaden", sagte Stiller. Gerade die kulturelle Vielfalt mache die Stadt attraktiv, auch für Touristen. Zwar liegt Hamburg mit 7,7 Millionen Touristen pro Jahr deutlich hinter Berlin (17,7) und München (9,8). Allerdings stieg die Zahl der Übernachtungsgäste in den vergangenen zehn Jahren mit einem Plus von etwa 60 Prozent stärker als in den anderen Großstädten.

Punkten kann die Elbmetropole im Bereich Umwelt - ein zentraler Aspekt für die Lebensqualität in wachsenden Städten, so Stiller. In Hamburg gibt es das sauberste Trinkwasser und die beste Luftqualität. Mit 474 Pkws je 1000 Einwohner sei auch die Zahl der Autos geringer als etwa in München (545 Pkws). Allerdings wird der öffentliche Nahverkehr in keiner anderen Stadt so wenig genutzt wie in Hamburg.

Positiv: Nur in Berlin sind Häuser günstiger zu haben, im Schnitt kostet ein Eigenheim (mittlerer Wohnwert) in Hamburg 270 000 Euro. Andererseits hat der Durchschnitts-Hamburger ein Platzproblem: In keiner anderen Stadt steht mit nur 35,6 Quadratmetern so wenig Wohnraum pro Kopf zur Verfügung. Die Münchner haben im Schnitt zwei Quadratmeter mehr Fläche.

Fast spitze: 22 Prozent der unter Dreijährigen werden in Hamburg betreut. Zum Vergleich: In Köln wird nicht einmal jedes zehnte Kleinkind betreut. Doch die Studie offenbart auch erschreckende Defizite: Der Anteil der Kinder unter 15 Jahren, die von Sozialhilfe leben, liegt bei 24 Prozent - 16,2 Prozent ist der deutschlandweite Durchschnitt. "Das kann nicht sein, in einer Stadt mit dem europaweit höchsten Pro-Kopf-Einkommen", sagte Stiller. Und: 10,3 Prozent der Schüler verlassen in Hamburg die Schule ohne Abschluss - in Stuttgart sind es gerade mal 6,5 Prozent. "Ein extrem bedenkliches Ergebnis", sagte Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang. "Das können wir uns nicht leisten."

Abhilfe soll ein "Hamburger Bildungspreis" schaffen, den die Sparkasse gemeinsam mit dem Hamburger Abendblatt in diesem Jahr erstmals ausschreiben will. Der Preis ist mit 100 000 Euro dotiert und soll Projekte in Kitas und Schulen unterstützen, die sich durch gemeinnütziges Engagement, die Integration von Migranten und innovative Projekte in Musik, Sport und Umwelt auszeichnen.