Arbeiten, wo Milliardäre Urlaub machen - der TÜV bietet den bundesweit ersten Lehrgang für Decks- und Servicepersonal auf Megayachten an.

Hamburg. Auf dem Weg zu den Schönen und Reichen dieser Erde muss man bei Famila abbiegen, dann noch einmal rechts bei Autoteile Unger in den Ruwoldtweg: "TÜV Nord Schulungszentrum" steht dort an einem großen Zweckbau. Gegenüber scheppern Lkw vom Hof einer Spedition, am Ende der Straße ragen die Plattenbauten von Steilshoop auf. Ein schöner Ort, um von der Karibik zu träumen. Hier also startet der erste Lehrgang der neuen Hamburger "Yacht Crew Academy" - der bisher einzigen deutschen Bildungsstätte, in der künftig Decks- und Servicepersonal für die größten und teuersten Yachten der Weltmeere trainiert wird. Mit Jobgarantie, wie der TÜV verspricht.

"Schott zu", knurrt TÜV-Projektleiter Rolf Zimmermann, als ein Kursusteilnehmer ein paar Minuten nach Seminarbeginn in den Raum schlüpfen will. Erst nach einer Schrecksekunde merkt er, dass damit die Tür gemeint ist. "Hier reden wir schon jetzt wie an Bord", stellt Zimmermann klar. Acht junge, sportlich wirkende Männer und Frauen um die 30 blicken ihn an. Vier Monate Ausbildung erwarten sie. Motorenkunde, Nautik, Seehandwerk für die Decksleute. Weinkunde, Service für die Stewardessen. Sicherheitstraining für alle. Danach geht es gleich zum Praktikum auf eine Yacht.

"Sie können eigentlich jetzt schon die Wohnung kündigen und alles regeln", sagt Zimmermann. Raspelkurze, graue Haare, stämmig und groß steht der 50-Jährige vor einem Beamer, der unentwegt Fotos auf eine Leinwand projiziert: Riesige weiße Yachten sind darauf zu sehen, luxuriös ausgestattete Salons, weiße Ledersofas. Häfen im Sonnenuntergang. Junge, sonnenbebrillte Menschen lachen am Kai. Einheitlich gekleidet sind sie mit weißem Poloshirt und blauer Kniebundhose, oder auch blauem Poloshirt und weißer Kniebundhose. "So sieht Ihr Arbeitsplatz aus", sagt Zimmermann. Draußen prasselt ein kalter Aprilregenschauer gegen die Fensterscheiben. Ein Windstoß fegt laut ein Fenster auf. Jemand schließt es. Dann schauen alle wieder auf ein Foto einer Bucht mit Palmen und einer weißen Yacht, die dort ankert.

Etwa 400 solcher Boote "jenseits der Neckermannklasse" (Zimmermann) werden in diesem und im nächsten Jahr nach Schätzung der Branche neu oder umgebaut und brauchen entsprechendes Personal. 24 bis 160 Meter lang sind sie. "Das sind andere Boote, als man sie von Nord- oder Ostsee kennt", sagt Zimmermann. Eine 30-Meter-Yacht fährt mit vier bis sechs Leuten Mannschaft, größere mit entsprechend mehr. Jeder Meter einer solcher Luxusyacht kostet schon im Neubau mehr als eine Million Euro - dazu kommen die Kosten für Crew und Sprit, Zehntausende im Monat.

"Die Menschen, die so etwas kaufen, wollen nicht nur das tollste Boot, die tollste Inneneinrichtung - die wollen auch die tollste Crew", sagt Zimmermann. "Good looking" sei immer wichtig. Egal ob beim Material oder beim Personal. "Heute ist aber auch im Luxussegment so viel Hightech im Spiel, dass eine gute Ausbildung dazu immer wichtiger wird." Die Zeiten der Turnschuh-Sailor sei heute längst vorbei.

Turnschuh-Sailor war er allerdings selbst einmal. In Bremen wuchs er auf, sein Großvater war ein Schlepperkapitän. "Das hat mich geprägt." Zimmermann machte eine Ausbildung zum Nautiker, fuhr auf Küstenmotorschiffen und Frachtern. "Ich wollte aber mehr Abenteuer." Er tingelte große Yachthäfen ab, fragte nach Jobs: "Turnschuh-Sailor eben", sagt er. Er wurde angeheuert, erhielt gute Referenzen und fuhr schließlich auf Mega-Yachten in verantwortlicher Position durch Mittelmeer, Karibik oder Südsee. Vor einigen Jahren sattelte er um und gründete eine eigene Crew-Vermittlung. "So kam der Kontakt zum TÜV, der schon länger gute Chancen für eine solche Ausbildung sieht."

Die Seminarteilnehmer blicken ihn stumm an. Dennis Mundkowski lächelt. Für ihn ist Zimmermann auch so etwas wie ein Vorbild. Auf der Veddel hat der 27 Jahre alte Industriemechaniker gelernt. Auch er wollte mehr Abenteuer, als man gemeinhin an der Werkbank findet. Der junge Hamburger reiste vergangenes Jahr nach Südfrankreich, bekam erste einfache Jobs auf Yachten. "Jetzt stelle ich das auf eine solide Basis", sagt er.

Was ihn erwartet, beschreibt Zimmermann am ersten Seminartag mit Geschichten aus seinem Megayacht-Leben: "Sie wissen, wie der Besitzer eines solchen Schiffs heißt?", fragt er in die Runde. "Richtig, Eigner - und das kommt von eigenartig." Nicht selten, dass man als Crew wochenlang völlig ungestört auf dem Schiff leben und neben der Arbeit an den schönsten Plätzen der Welt schnorcheln oder Speedboat fahren kann. "Und dann kommt ein Anruf: Rolf, wir landen in zwei Stunden, mach mal das Schiff klar", erzählt Zimmermann. Dann sei Stress angesagt. Wichtig daher: jederzeit einsatzklar sein für den Eigner, der einen bezahlt. "Das ist eine völlig andere Welt, es gibt welche, die reisen noch mit Butler und Hofdame an." Als Crew müsse man stets dezent im Hintergrund bleiben - und sofort zur Stelle sein, wenn es brennt, sagt er: "Nachts mal eben schnell eine verstopfte Vakuum-Toilette auseinanderzunehmen ist nicht ungewöhnlich, sondern Routine - in den schönen Buchten dieser Welt gibt's keine Gelben Seiten, das muss man schon selbst können."

Und morgens um 5 Uhr heiße es dann: übers Deck schweben und nicht gehen, um das Schiff zu waschen. "Den Wasserschlauch ziehen Sie dann nicht, sondern lupfen ihn nur vorsichtig an, damit kein Gast geweckt wird."

Auch auf das Servicepersonal warten manchmal Herausforderungen der besonderen Art. Etwa, wenn man gebeten wird, ein paar Stunden auf die Kinder der Eignerfamilie aufzupassen. "Solche Kleinen sind, sagen wir einmal, einen sehr selbstbewussten Umgang mit anderen gewohnt - das kann dann ein spannender Tag werden", verspricht er. "Fühlt man sich da nicht als eine Art Lakai?", will jemand in der Seminarpause wissen. "Nein", sagt Zimmermann. Der Wille zum Service müsse schon da sein. Aber auch im normalen Job gelte doch: "Wenn der Chef linksrum sagt, geht es linksrum." Die Arbeit auf einer Luxusyacht sei in dieser Hinsicht nicht viel anders: "Nur mit dem Unterschied, dass man dort arbeitet, wo andere Urlaub machen - und der Chef meist nicht da ist."