In der Haut eines Senators möchte man derzeit nicht stecken. Selten war der finanzielle Spielraum so eng, selten die Etatplanungen so schwierig. Ausgehend von ungeheuerlichen Zockereien von Banken und "Investoren" kämpft sich die Republik durch das tiefste Konjunkturtal nach dem Zweiten Weltkrieg; und die finanzpolitischen Eskapaden der bürgerlichen Koalitionen in Berlin verschärfen die Situation zusätzlich. Besonders bitter wirken sich die leeren Kassen dort aus, wo eigentlich zusätzlich investiert werden soll wie im Bereich der Kinderbetreuung.

Da mögen die Vorschläge der Sozialbehörde von Dietrich Wersich (CDU) auf den ersten Blick konsequent erscheinen, weil sie die ambitionierten Ausbauziele beibehalten, dafür aber die Eltern in die Pflicht nehmen. Und doch sind die Pläne politisch fatal. Ausgerechnet der Senat, der das Bildungsthema für sich entdeckt hat und viel Geld in den Umbau zum Primarschulsystem pumpt, erhöht nun - teilweise massiv - die Gebühren im KitaBereich. Weil die Steuern infolge der Finanzkrise wegbrechen, müssen die Eltern bluten. Dabei heißt es so schön im schwarz-grünen Koalitionsvertrag im ersten Satz (!) nach der Präambel: "Kindertagesbetreuung ist ein zentraler Bestandteil moderner Familien-, Bildung und Sozialpolitik." Nun aber zementiert der Senat einen zentralen Baufehler im deutschen Bildungssystem. Während Schulen (zu Recht) kostenlos sind und Hochschulgebühren (zu Unrecht) als Skandal betrachtet werden, wird über Kosten von bis zu 500 Euro für einen Kita-Platz nicht einmal gestritten. Warum eigentlich? Denn diese Benachteiligung der Kleinsten ist weder sozial noch intelligent.

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft sind (qualitätssteigernde) Investitionen gerade in die frühkindliche Förderung am wichtigsten. Demnach liegt deren volkswirtschaftliche Rendite bei 13 Prozent und damit deutlich über der Rendite von Investitionen im Schul- und Hochschulbereich. Auch wenn der Senat betont, er werde nicht weniger investieren - die frühkindliche Förderung leidet trotzdem. Höhere Gebühren werden die Quote der betreuten Kinder senken. Und wer die Kostenbeteiligung am Kita-Essen erhöht, entlastet zwar den Haushalt, aber er schreckt vor allem ab - gerade bildungsferne Familien, die Kindertagesstätten erreichen sollen und müssen.

Es kommt noch schlimmer: Laut Koalitionsvertrag wussten sich CDU und GAL "einig in dem Ziel, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter voranzutreiben". Hier wirken die Preiserhöhungen wie ein Quertreiber. Mit höheren Kita-Gebühren werden berufstätige Frauen in Teilzeit zurück an den Herd getrieben. Schon jetzt reichen viele Löhne kaum aus, die Betreuung der Kinder zu finanzieren. Und dann will der Senat auch noch die Ermäßigung für behinderte Kinder reduzieren.

Eine weitere Sparidee, die 30 Millionen Euro bringen soll, kassiert eine zentrale Verabredung des Koalitionsvertrags, in der es hieß: "Es wird vereinbart, dass der Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung herabgesetzt und nunmehr für Kinder ab zwei Jahren eingeführt wird." Schon 2007 hatte die CDU diesen Meilenstein beschlossen - auf den einige Eltern nun noch länger warten müssen, bis 2013.

Bei allem Verständnis für nötige Einsparungen und neue Einnahmequellen bleibt schwer nachvollziehbar, warum der schwarz-grüne Senat ausgerechnet ein Aushängeschild seiner Arbeit kassieren will. Und auch Dietrich Wersich, der als ein möglicher Nachfolger von Ole von Beust gehandelt wird, dürfte seine Chancen so nicht verbessern.