Der persönliche Sicherheitsabstand beträgt eine Armlänge. Nur vertraute Menschen dürfen einem näher auf die Pelle rücken. So weit die Theorie. Doch es kann ganz anders kommen. Etwa in der S-Bahn. Dicht gedrängt sitze ich mit wildfremden Menschen. Einer liest Zeitung, die andere schaut aus dem Fenster. Da wird die nächste Station angesagt. Ganz anders als sonst. Gerade so, als ob wir im Fernzug sitzen: "Sehr verehrte Fahrgäste, ich begrüße Sie auf der Strecke ..." Alle horchen auf, sehen sich an und grinsen.

An dieses Erlebnis fühlte ich mich erinnert durch das Motto der Fastenaktion "7 Wochen ohne". Dieses Jahr steht die Aktion der evangelischen Kirche unter dem Motto: "Ohne Scheu - komm näher". Wir werden eingeladen, sieben Wochen bis Ostern mal anders zu leben. Ohne Scheu. Mit mehr Mut zur Nähe als sonst. Ab Aschermittwoch geht's los.

Gar nicht so einfach. Denn Nähe hat schließlich mit Vertrauen zu tun. Angeblich läuft in Körper und Geist ein steinzeitliches Sicherheitsprogramm ab. "Achtung, Warnung vor dem Unbekannten!" Aber immerhin schafft es schon eine ungewohnte Ansage in der S-Bahn, Gemeinschaft herzustellen und somit unangenehme Nähe erträglich, ja angenehm zu machen.

So könnte doch eine ungewohnte Fastenaktion das Gleiche bewirken. Für sieben Wochen Scheuklappen ablegen und Nähe ausprobieren. Vielleicht wollten Sie schon lange einmal in der Woche abends unter Leuten sein. Eine Idee haben Sie längst. Vielleicht hilft nun dieser eine Anstoß: "Ohne Scheu - komm näher." Oder sie mögen jemanden sehr, trauen sich aber nicht, es ihm oder ihr zu zeigen. Sie halten ihre Gefühle in Schach. Wie wäre es, auf sie zu hören? "Ohne Scheu - komm näher." Oder eine Frage nach Gott brennt Ihnen unter den Nägeln. Das ist Ihnen fast peinlich. Den direkten Draht könnte womöglich ein einziges Gebet herstellen. So kommt Gott Ihnen näher.

Ohne Scheu schmilzt offensichtlich der Abstand zu Gefühlen, zu Menschen und zu Gott. Und wenn die Fastenaktion "Sieben Wochen ohne Scheu" dazu beiträgt, mehr zu wagen und Ungewohntes zu erleben? Wäre doch göttlich!

@ bloes.finkenwerder@kirche-hamburg.de