Die Sozialbehörde finanziert die erste anonyme Einrichtung in Hamburg. 2009 meldeten sich 74 betroffene Frauen.

Hamburg. Unter dem Namen "Zuflucht" ist gestern in Hamburg eine Art Frauenhaus für von Zwangsheirat und Familiengewalt bedrohte junge Migrantinnen gegründet worden. In der Unterbringung, deren Standort geheim bleibt, können bis zu sechs Betroffene im Alter von 14 bis 21 Jahren kurzfristig und für bis zu acht Wochen Schutz, Rat und Hilfe finden.

"Ich finde es selbstverständlich, dass sich jeder und jede seinen Lebenspartner selbst aussuchen kann. Eine erzwungene Heirat raubt den Betroffenen die menschliche Würde und beeinträchtigt die persönliche Freiheit in erheblichem Maße", sagte Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) bei der Eröffnungsfeier. "Zwangsheirat darf nicht toleriert werden. Es ist daher unser Ziel, Frauen, die von Zwangsheirat bedroht oder betroffen sind, besser zu schützen und ihnen zu helfen."

Die Sozialbehörde finanziert die in Hamburg einmalige Einrichtung mit knapp 390.000 Euro jährlich, Betreiber ist der Jugendhilfeträger basis & woge. Der Verein hat durch seine bereits seit 1993 bestehende Mädchenwohngruppe "Kardelen" Erfahrung mit anonymisierter Unterbringung und Betreuung.

Er ist Teil eines bundesweiten Netzwerks zum Schutz von Mädchen und jungen Frauen, die von familiärer Gewalt und Zwangsheirat bedroht sind. "Das Recht aller Mädchen und Frauen auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung ist der Maßstab unseres Handelns", sagte Leiterin Myriam Schrank.

Neben Schutz vor häuslicher Gewalt sollen mit den Mädchen und Frauen gemeinsam Zukunftsperspektiven entwickelt werden. So wird eine mögliche Rückkehr in die Familie geprüft oder nach einer geeigneten Wohn- und Betreuungsform gesucht. Jugendämter sowie Kinder- und Jugendnotdienste sollen gefährdete Mädchen und junge Frauen über "Zuflucht" informieren und sie dahin vermitteln. Aufnahmen seien rund um die Uhr möglich.

In Deutschland sind vor allem Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund von Zwangsheirat betroffen. Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums unter 143 türkischen Migrantinnen kannten 25 Prozent ihren Partner vor der Hochzeit nicht. Bei 50 Prozent wurde der Partner von Verwandten gewählt, 17 Prozent gaben an, zur Ehe gezwungen worden zu sein.

Rund 200 Frauen haben sich 2009 an die beiden behördlichen Beratungsstellen i.bera und LALE in Hamburg gewandt, weil sie von häuslicher Gewalt betroffen sind. In 74 Fällen waren sie von Zwangsheirat bedroht oder litten bereits seit Jahren darunter. Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig eine Schutzeinrichtung wie "Zuflucht" ist.

Parallel zu diesem Projekt arbeitet die Sozialbehörde eigenen Angaben zufolge an einem Konzept für ein Wohnprojekt, das langfristig Hilfe für bedrohte Mädchen und junge Frauen bieten soll. Seit Mai 2007 fördert die Sozialbehörde mit i.bera und LALE interkulturelle Opferberatungsstellen. Beide Träger bieten kostenlose und anonyme Einzelfallberatung, Paar- und Familienberatung an und führen Workshops an Schulen und Selbststärkungskurse durch.

Betroffene erhalten Hilfe und Unterstützung unter der Hotline-Rufnummer 040/22 62 26 27 (täglich von 10 bis 22 Uhr). LALE und i.bera bieten telefonische Beratung zum Thema Zwangsheirat und Familiengewalt unter der mobilen Rufnummer 0174/150 77 09 an.