1979 gewann das Hamburger Original 446.000 Mark - und wollte die Eppendorfer Sportgemeinschaft in die Bundesliga führen.

Hamburg. Der 15. Dezember 1979 war ein ziemlich normaler Sonnabend für Günther "Gummi" Storbeck. Wie gewöhnlich hatte er sich in seiner Stammkneipe in Eppendorf eingefunden und frönte zwei seiner drei Laster - Klapperjassspielen und Fußball. Diskutiert wurde das HSV-Ergebnis des Spieltages - eine wenig erfreuliche Niederlage in Gelsenkirchen. Kurt Krägel, Leiter des Stadionmanagements beim HSV, kannte Storbeck persönlich und erinnert sich: "Gummi war impulsiv, er hat in der Kneipenmannschaft Menschen zusammengebracht, die sonst nie zusammengespielt hätten." Dass dieser Kneipenmannschaft ein Märchen bevorstand, konnte an diesem Dezemberabend niemand ahnen. Gegen 22 Uhr wurde Storbeck mit den Worten ",Gummi', deine Alte" ans Telefon gerufen, seine siebte inzwischen, denn sein drittes Laster waren die Frauen.

Anstatt böser Worte gab es allerdings ausnehmend gute Nachrichten, denn nach einigen Minuten bestand kein Zweifel mehr: Der Malermeister hatte sechs Richtige im Lotto: 446 000 Mark. Ein Teil davon wurde sofort bei der anschließenden Feier in Freirunden angelegt, doch der leidenschaftliche Fußballer Storbeck hatte bereits einen Plan. Er wollte weder ein protziges Auto noch eine Weltreise, lediglich in eine Eigentumswohnung für die Gattin wurde investiert. Den Rest des Gewinns nutzte der Glückspilz für die Gründung seines eigenen Fußballvereins, der Eppendorfer Sportgemeinschaft (ESG). Damit wollte er sich den Traum erfüllen, den wohl alle Hobbykicker hegen. Krägel: "Er wollte von der Kreisliga in die Bundesliga und dem HSV den Rang ablaufen."

Storbeck war ein echter Hamburger Jung und ging bereits im zarten Alter von sechs Jahren zwischen die Torpfosten. Dort hatte er trotz vergleichsweise geringer Körpergröße seine Berufung gefunden. Die Spielkameraden nannten ihn wahlweise "Kongo", da er wie ein Affe im Kongo durchs Tor sprang und die Bälle wegfischte, oder "Gummi" wegen seiner besonderen Biegsamkeit. Er spielte unter anderem für die TSG Bergedorf und den Lüneburger SK im Tor. Mit seiner eigenen Mannschaft wollte er allerdings höher hinaus. Und weil er als Präsident und Manager in einer Person nicht nur im Hintergrund wirken wollte, stellte sich "Gummi" Storbeck mit 54 Jahren gleich als Torwart der neuen Mannschaft auf. Wo selbst Felix Magath unter der Mehrfachbelastung zusammengebrochen wäre, drehte der Lotto-Fußballer erst richtig auf. Er ging auf Einkaufstour bei den Lokalrivalen und kaufte ihnen die besten Amateurspieler ab. Sein Motto: "Ohne Geld geht nichts, auf sicher." Auf dem neu erworbenen Trainingsplatz formte er mit der modernsten Ausrüstung eine echte Siegertruppe, die mit hochwertigsten Schuhen und Trikots auch noch äußerlich etwas hermachte. Siegprämien machten den Spielern zusätzlich Beine.

Auf diese Weise spazierte die ESG in ihrer ersten Saison 80/81 von der Kreisliga III in die Bezirksliga. Als im Sommer 1981 die Erzrivalen des SC Victoria im Hamburger Landespokal 3:2 geschlagen wurden, kannte die Euphorie keine Grenzen mehr. Das Hamburger Abendblatt berichtete, schon bevor das Spiel der ESG gegen den SC Victoria angepfiffen wurde, hätte Storbeck jede Wette angenommen, dass seine Bezirksliga-Kicker den hohen Verbandsliga-Favoriten schlagen würden.

"Gummi" hatte allerdings nicht nur Wetten angenommen, sondern auch verkündet, bei einem Sieg halb nackt durch Eppendorf reiten zu wollen. Und weil Storbeck ein Mann von Ehre war, hielt er am 21. August 1981 Wort: Leicht bekleidet zuckelte er auf einem Esel durch seinen Stadtteil und winkte den Passanten zu, die arg zwischen Belustigung und Entsetzen schwankten. In der Vereinskneipe Bierbrunnen, die ihrem Namen alle Ehre machte, wurden die Gläser erhoben, die Bundesliga schien ihnen zum Greifen nah. Kurt Krägel erklärt das Phänomen: ",Gummi' hat mit seinem Elan alle angesteckt, er war im positiven Sinne verrückt."

Doch die wenigsten Übermutigen kommen ungestraft davon. Von der Bezirksliga ging es schnell zurück in die Kreisliga. Die Saison 83/84 wurde auf dem letzten Platz beendet, woraufhin sich die Mannschaft auflöste. Obwohl Storbeck noch einmal 30 000 Mark im Lotto gewann, konnte er den Bankrott nicht abwenden. Das Märchen, das 1979 begonnen hatte, endete nach nur fünf Jahren. Doch bis zu seinem Tod 2004 blieb "Gummi" Storbeck dem Fußball eng verbunden. Sein Fazit fällt positiv aus: "Als Torwart lieb ich eben das Risiko. Außerdem hatte ich jede Menge Spaß."