Lea und ihre Mutter sind wohlauf. Hamburger Reederei und der Kapitän wussten von nichts - ein wohl einmaliger Fall.

Hatte sie ihre Schwangerschaft verdrängt oder tatsächlich nicht bemerkt? Eine junge nautische Offiziersassistentin aus Cuxhaven dürfte jedenfalls kurz vor Weihnachten die deutsche Seefahrtsgeschichte um eine völlig neue Variante bereichert haben. Hochschwanger war die 20-jährige Frau S. vor zwei Monaten an Bord des Hamburger Frachters MS "Maruba Simmons" (hieß vor Kurzem noch MS "Hansa Africa") gekommen - ohne dass Reederei oder Mannschaft etwas von den besonderen Umständen ahnten. Jetzt, auf Reede rund 50 Kilometer vor dem brasilianischen Hafen Rio Grande, meldete sie sich bei ihrem Kapitän André Kurze: Mit heftigen Wehen, wie sich schnell herausstellte.

Der 43 Jahre alte Nautiker versuchte mit der unbekannten Situation klarzukommen. Er alarmierte Ärzte an der Küste, musste dann bei der Geburt aber doch selbst helfen und assistieren.

Gegen 1 Uhr wurde das Kind geboren: ein Mädchen, 3350 Gramm schwer und 44 Zentimeter groß. Wenig später traf per Helikopter ein Notarzt ein, doch die junge Mutter war noch nicht transportfähig. Die "Maruba Simmons" bekam daher von den Hafenbehörden eine Sondererlaubnis zum Anlegen - sie lag eigentlich vor Reede, weil sie den Hafen erst später hätte anlaufen können.

Die junge Offiziersassistentin und ihre Tochter Lea kamen in ein Krankenhaus. Beide seien wohlauf, teilte gestern die Reederei Leonhardt & Blumberg mit, die inzwischen Glückwünsche und Blumen durch den Kapitän übermitteln ließ.

Die 20 Jahre alte Mutter, die aus Sachsen stammt und jetzt in Cuxhaven wohnt, hatte vor einem Jahr mit ihrer Ausbildung zum Schiffsoffizier bei Leonhardt & Blumberg begonnen. Zur nautischen Ausbildung an einer Fachschule gehören auch längere Praktikazeiten an Bord. Wenn aber bekannt gewesen wäre, dass die Frau schwanger ist, hätte sie aus Sicherheitsgründen nicht auf das Schiff gehen dürfen, hieß es bei der Reederei. "Seit 30 Jahren bilden wir weibliche Seeleute aus", sagt Reeder Frank Leonhardt, "doch dieser Fall ist in unserer Geschichte einmalig."

Wohl nicht nur bei der Hamburger Reederei. "Uns ist auch nach langen Nachforschungen kein anderer derartiger Fall bekannt", heißt es auch beim Verband Deutscher Reeder.

Frauen an Bord deutscher Handelsschiffe sind zwar nicht völlig selten, aber noch eher die Ausnahme: Auf den rund 3350 Schiffen der deutschen Handelsflotte arbeiten etwa 5500 Schiffsoffiziere und Kapitäne - davon sind (Statistik 2008) rund 50 nautische Offizierinnen und fünf Kapitäninnen.

Die 243 Meter lange MS "Maruba Simmons" hat inzwischen in Rio Grande Container gelöscht. Sie befindet sich auf einer Rundreise von Südostasien zu verschiedenen argentinischen sowie brasilianischen Häfen und hat bereits Kurs auf den nächsten Anlaufhafen genommen - ohne Mutter und ihr Baby. Beide werden laut Reederei noch vor Weihnachten wieder nach Deutschland zurückfliegen können.