Sehr geehrte Damen und Herren, Sie gehören in der reichsten Stadt Deutschlands zu den Bewohnerinnen und Bewohnern, die über die größten finanziellen Reserven verfügen. Diese Stadt ist in Not, weil die öffentlichen Finanzen schon seit vielen Jahren nicht mehr mit dem privaten Reichtum einhergegangen sind und weil die enormen Engpässe im Etat durch die Finanzkrise noch weit dramatischere Folgen haben werden. Hamburg ist sozial gespalten, zum Schaden aller Einwohner. Ein Gemeinwesen muss Gerechtigkeit und Chancen für alle bieten - in den Stadtteilen und in der Arbeitswelt, im Bildungswesen und bei den kulturellen Angeboten, in den sozialen Lebenslagen von der Kindheit bis zum Alter und bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben - sonst entsteht kein Aufbruch, kein Fortschritt, sondern ein Klima der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit.

Sie wissen um die Krise der städtischen Finanzen. Der Senat plant in diesen Tagen das größte Sparprogramm, das Hamburg je erlebt hat: Die Rede ist von 600, 700 oder mehr Millionen Euro - jährlich anwachsend -, die gestrichen werden sollen. Es drohen gewaltige Einschnitte in soziale Programme, in Qualifizierung und Kinderbetreuung, in Sicherheit und Infrastruktur, in die Arbeit der Bezirke und Stadtteile.

Sie sind hoch vermögend. Wenn jemand dieser Stadt neue finanzielle Triebkräfte verleihen kann, dann Sie. Einige unter Ihnen haben als Stifter und Mäzene schon wichtige und wesentliche Beiträge zur Unterstützung von Vorhaben geleistet, die Ihnen am Herzen liegen. Ich würdige dies ausdrücklich. Aber freiwillige Spenden sind etwas anderes als Steuergerechtigkeit. Der Spitzensteuersatz ist seit den 70er-Jahren um mehr als zehn Prozentpunkte gesenkt worden. In Deutschland besitzen die zehn Prozent der Reichsten 60 Prozent des Vermögens, und die untersten 50 Prozent besitzen gar nichts, außer vielleicht Schulden. Ge-recht kann ich das nicht nennen.

2002 schrieben 16 deutsche Millionäre, die sich für die Vermögenssteuer einsetzen: "Es beschämt uns, wenn der Eindruck entsteht, wir Vermögenden sähen uns wegen unseres Reichtums von der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ausgenommen. Das Gegenteil ist der Fall! Für uns gilt: Wer mehr hat, sollte auch mehr geben."

Und aktuell hat sich in Berlin die Initiative "Appell für eine Vermögenssteuer" gebildet, die zwei Jahre lang eine Vermögensabgabe von fünf Prozent erheben und dann die Vermögenssteuer wieder einführen möchte. Mit der zehnprozentigen Abgabe, so ihr Argument, werde der Schaden wieder gutgemacht, der durch den Wegfall der einprozentigen Vermögenssteuer seit 1997 entstanden sei.

Denken wir auch auf diesem Feld global: In allen Ländern der OECD gibt es Vermögens- oder Besitzsteuern. Sie machen im Durchschnitt der OECD-Länder 1,9 Prozent aus, in Frankreich sind es sogar mehr als drei Prozent, in England mehr als vier Prozent. In Deutschland aber liegen die entsprechenden Abgaben nur bei 0,9 Prozent. Würde die Bundesregierung dem Appell folgen, wären auf einen Schlag 100 Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen vorhanden.

Mein Schreiben zielt also auf eine Willensbildung und -bekundung Ihrerseits, die für die Politik in der Stadt und im Bund ein wichtiges Signal sein kann. Geben Sie sich einen Ruck, und machen Sie sich stark für eine neue, gerechte Vermögensabgabe, die Ihrer Heimatstadt aus großer Not helfen würde.

Reichtum ist keine Schande, vor allem, wenn er selbst erarbeitet ist. Aber zu loben und zu preisen ist der Reichtum erst dann, wenn er im Sinne des Gemeinnützigkeitsgebots unseres Grundgesetzes auch allen zugutekommt. Denn in unserer Verfassung steht ein Satz, der an Klarheit nicht zu überbieten ist: Eigentum verpflichtet.

Wolfgang Rose ist Hamburger Ver.di-Vorsitzender und SPD-Abgeordneter.