Staatsanwaltschaft und Nebenklage fordern zehn Monate Haft auf Bewährung für Narkose-Ärztin. “Es tut mir alles so leid“, so die 50-Jährige.

Die Narkose-Ärztin Dr. Asnath B. wirkt tief erschüttert, als sie ihr Schlusswort spricht. "Es tut mir alles so leid", sagt die 50-Jährige unter Tränen. Den Vater des neunjährigen Faouzane B., für dessen Tod sie die Staatsanwaltschaft verantwortlich macht, hätte sie nach seiner Aussage am ersten Prozesstag "am liebsten in den Arm genommen". Wirtschaftlich habe ihr der Prozess vor dem Amtsgericht Harburg ohnehin sehr geschadet: Einige Ärzte wollten mit ihr, der selbstständigen Anästhesistin, nicht länger zusammenarbeiten.

Nächste Woche entscheidet das Gericht, ob sich Asnath B. der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hat. Faouzane B. hatte nach einem ambulanten Routineeingriff am 14. März 2007 einen Atemstillstand. Er konnte zwar wiederbelebt werden, starb aber wenig später an einer Hirnschwellung. Die Staatsanwältin ist überzeugt, dass Asnath B. den Jungen im Aufwachraum der Harburger HNO-Praxis von Dr. Horst B. nicht gut genug überwacht hat. Wie die Nebenklage auch beantragte sie gestern eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten.

Die strittige Frage: Wer trug die Verantwortung für die post-operative Betreuung des Jungen? Die Narkose-Ärztin? Oder der OP-Arzt, dem die Praxis gehört?

Eindeutig geregelt war das offenbar nicht. Asnath B. hatte ausgesagt, dass sie nach der OP den Jungen an Dr. B. übergeben habe. Das sei so üblich gewesen, damit sie sich bei dem straffen Takt von bis zu 15 OP am Tag sofort dem nächsten Patienten zuwenden kann. Für sie sei ihre Arbeit da erledigt gewesen: Das Kind atmete und wirkte stabil. Der Gutachter: "Sie konnte keine Patienten überwachen, da sie die ganze Zeit im OP arbeiten musste."

Nach Ansicht der Verteidigung, die Freispruch für Asnath B. fordert, war es Praxis, dass Dr. B. die "Aufwach-Gebühr" der ersten Operationen berechnete, während die Ärztin die Nachsorge für die letzten zwei oder drei Eingriffe des Tages kassierte. "Wer eine Leistung abrechnet, der ist auch verantwortlich." Diese Gewohnheit "entsprach einer Individualvereinbarung". Nebenklage und Staatsanwaltschaft, die ihre Ermittlungen gegen Dr. B. bereits eingestellt hat, sehen indes die Verantwortung bei der Ärztin. Es grenze an ein Wunder, dass "zuvor noch nichts passiert ist".

Wäre das Kind lückenlos überwacht oder gar an einen Pulsoximeter (überwacht die Sauerstoffsättigung des Blutes) angeschlossen worden, hätte man den Aussetzer rechtzeitig bemerkt. "Mit Sicherheit hätte der Junge dann keine Schäden davongetragen", sagte der medizinische Gutachter Georg von Knobelsdorff. Doch Faouzane sei in den 15 Minuten nach der OP nicht lückenlos überwacht worden.

Das Urteil wird am 2. Dezember verkündet.