Neubesinnung

"Abschied von Robert Enke", Abendblatt, 16. November

Es ist richtig und gut, dass viele Menschen an der Trauerfeier direkt oder indirekt teilgenommen haben. Es waren bewegende Momente. Aber ich bin auch sicher, dass viele dieser Menschen gebuht und mit dem Finger auf den Sportler Robert Enke gezeigt hätten, wenn zu Lebzeiten etwas über seine "Schwächen" bekannt geworden wäre. Es gibt keine Supermänner und -frauen - wir alle sind einfach nur Menschen, mit Fehlern und Schwächen. Das macht uns so einzigartig - und oft auch so liebenswert. Erlauben wir einander auch schwach zu sein - das kann zu einer großen Stärke werden. Vielleicht führt dieses Ereignis um Robert Enke zu einer kleinen Neubesinnung.

Gerhard Delfs, per E-Mail

Betroffen

Nun in aller Munde: Depression. Als Betroffene geht es mir seit Dienstag schlechter. Mit jeder Erklärung in den Medien denke ich: "Die sprechen von dir." Meine Hoffnung ist, dass ich mehr Verständnis bekomme. Jeder Tag ist ein Kampf, um am/im Leben zu bleiben. Welche Qual für meinen Mann, der Angst um mich hat. Aber man kann diese Vorgänge logisch nicht unterbrechen. Aber werdet "ihr Gesunden" es nächste Woche wieder vergessen haben? Das Mitgefühl, das Zuhören, das Nachfragen und einfach mal der Versuch zu verstehen. Sprüche wie: Das geht wieder vorbei; nun ist auch mal gut; wird ja auch Zeit, hält das so lange an? Da wird das Schauspielern zur Gewohnheit, da bleibe ich doch lieber allein zu Haus und denke und denke und denke ...

Name ist d. Red. bekannt

Schweigeminute

Wir, Cyrus Zahedy und andere Hobby-Fußballer, haben am Sonntag um 11 Uhr im Stadtpark eine Schweigeminute für Robert Enke eingelegt und mit seinem Porträt in der Hand an ihn gedacht. Wir sind Fußballer aus Deutschland, Kamerun, Ghana, der Türkei, Iran, Marokko und Italien, die sich hier jeden Sonntagmorgen zum Spielen treffen.

Hiermit wollen wir unsere Anteilnahme an seiner Familie und an den Fußballern aus seinem Klub Hannover 96 ausdrücken. Denn eines verbindet uns alle auch über Nationalitätsgrenzen hinweg: Fairness, Solidarität und Menschlichkeit.

Cyrus Zahedy, per E-Mail

Traurige Bilanz

Der Tod dieses Profi-Fußballers sagt viel über unsere Gesellschaft aus. In einer gesunden, humanen Gesellschaft werden die Schwachen von den Starken unterstützt und aufgefangen. In unserer Gesellschaft wagt ein solch hervorragender Sportler nicht zu sagen, dass er krank ist. Er wäre sonst ausgepfiffen worden. Das sollte uns zu denken geben. Wo sind hier Menschlichkeit, Mitgefühl, Hilfe und Verständnis? Eine traurige Bilanz - nicht nur für den Profisport, sondern für uns alle!

Anne Wilke, per E-Mail

Schwäche zeigen

Frau Wilke ist der Meinung, dass Herr Enke ausgepfiffen worden wäre, wenn er sein Problem öffentlich gemacht hätte. Wenn dem so wäre, dann würden nicht so viele Menschen um seinen Tod trauern. Hier geht es um den Tod seiner Tochter und um die Angst, das Adoptivkind zu verlieren, wenn seine Krankheit bekannt wird. Und nach meiner Erfahrung wird derjenige, der seine Schwächen zeigt, nicht ausgepfiffen, sondern bewundert.

Josef Bogner, per E-Mail

Unangemessen

Ihr Redakteur Christoph Rind hat dankenswerterweise schon eine leise Kritik anklingen lassen, eine laute wäre besser gewesen. Denn was sich hier in den elektronischen und Printmedien in den letzten Tagen abgespielt hat, das kann man nur als monströs und völlig unangemessen bezeichnen. Wie kommen ARD und ZDF dazu, in den Hauptnachrichten am Abend dem Suizid eines depressiven Bundesliga-Spielers sieben bis acht Minuten Sendezeit zu widmen? Hätten die das auch getan, wenn ein depressiver Tischtennisspieler der 1. Liga sich das Leben genommen hätte? Die arme Frau Enke konnte einem in mehrfacher Hinsicht leidtun. Statt in einer würdevollen, stillen Feier von ihrem Mann Abschied nehmen zu können, nötigt man sie in ein Fußballstadion (!), um ihren Beitrag zur Huldigung des Götzen Fußball zu leisten. Denn darum geht es ja in Wirklichkeit. Die Bundesliga trauerfeiert sich selbst. Man fragt sich schon, was wohl passiert, wenn der "Kaiser" mal von uns geht - steht dann die Republik still?

Heinz-Peter Schulz, per E-Mail

Nicht vernünftig

Die Medien als Spiegel unserer Gesellschaft machen alles, was Schlagzeilen bringt, zum Event. Das eigentliche Ereignis geht dabei unter. Auch mit Trauer können wir nicht mehr vernünftig umgehen.

Jürgen Schmidt, per E-Mail

Mehr Verständnis

Mit großer Betroffenheit haben wir sowohl in der "Tagesschau" als auch im Abendblatt die mutigen Äußerungen von Teresa Enke zur Kenntnis genommen. Auch wir mussten die traurige Erkenntnis bei unserer Tochter Sabine machen, dass die Krankheit Depressionen leider nicht zu schaffen ist. Vor vier Jahren nahm sich unsere Tochter genau an ihrem 40. Geburtstag mit Tabletten das Leben. Ein fast zehnjähriger Leidensweg war zu Ende, und auch wir als Eltern und ebenso die Zwillingsschwester konnten dieses Schicksal nicht aufhalten. Durch den Mut, diese so leidensvolle Krankheit einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen, erhoffen wir uns mehr Verständnis für den Bereich psychische Erkrankungen, denn das ist häufig noch - im Gegensatz zu Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall usw. - ein Tabuthema. Wir wünschen Frau Enke und ihrer ganzen Familie viel Kraft bei der Trauerbewältigung.

Name ist d. Red. bekannt

Marktschreierisch

Bei aller verständlichen Trauer um diesen sicherlich tollen Menschen und Sportler: Wer denkt eigentlich mal an den bedauernswerten Lokführer, der dazu verdammt wurde, ein Idol zu töten? Und wer kümmert sich um die Feuerwehrleute, die mit den grauenvollen Bildern fertigwerden müssen, nachdem sie seinen Körper geborgen haben? Da hat ein Mensch die angebotene Hilfe abgelehnt und wollte sterben. Das ist tragisch, aber das passiert zigfach täglich in Deutschland, ohne dass ein ganzes Volk aufstöhnt. Trauer sollte leise sein und kein marktschreierisches Medien-Event.

Signe Vorholt, per E-Mail

Übertrieben

Ich gebe zu, dass ich bis vor einer Woche nicht wusste, wer Robert Enke ist, und dass ich dieses "Staatsbegräbnis" für reichlich übertrieben halte. Was mich viel mehr betroffen macht als der Tod eines Robert Enke ist das Schicksal des Lokführers. Wer fragt nach dessen Gefühlen, nach seiner Familie, wer kümmert sich um diesen Menschen, den die schrecklichen Bilder sein ganzes Leben nicht mehr loslassen werden, der jetzt auch psychologische Betreuung braucht, der der Nächste ist, der unter unsäglichen Depressionen leidet, der seinen Beruf vielleicht nicht mehr ausüben kann?

Claudia Isbarn, per E-Mail

Diese Zuschriften geben die Meinung der Einsender wieder. Wir müssen uns sinnwahrende Kürzungen vorbehalten. Weitere Briefe auf www.abendblatt.de