Sozialverbände kritisieren Pläne der neuen Bundesregierung. Auch Zivildienstleistende sind wenig begeistert.

Frau Litzbach verlässt sich auf ihn. Einmal in der Woche schaut Thomas Grabowski (21) bei ihr in Eimsbüttel vorbei. Dann hilft der Zivildienstleistende der 81-Jährigen - beim Einkauf, im Haushalt, im Alltag. "Zwischen uns ist sehr viel Vertrauen gewachsen", sagt der junge Mann. "Das braucht natürlich Zeit."

Doch genau diese Zeit könnte künftig fehlen, falls der Zivildienst nach den Plänen der neuen Bundesregierung von neun auf sechs Monate verkürzt wird. "Ich finde diesen Vorstoß nicht sonderlich sinnvoll", sagt Thomas Grabowski. "Soll sich eine ältere Dame wie Frau Litzbach etwa ständig an einen neuen Ansprechpartner gewöhnen?"

Das "Ende des Zivildienstes" werde mit der Verkürzung eingeleitet, fürchtet Christian Böhme vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg, der derzeit etwa 200 Zivildienstleistende beschäftigt. Durch Ausbildung und Urlaub sei die Dauer effektiv ohnehin kürzer als neun Monate. "Wird der Dienst von vornherein auf ein halbes Jahr begrenzt, ist er höchstens noch ein längeres Praktikum." Bundesweit hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband bereits einen möglichen Ausstieg aus dem Zivildienst erwogen (wir berichteten).

So weit will der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Hamburg nicht gehen. Allerdings überlege man, künftig verstärkt junge Menschen einzusetzen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr ableisten. "Ganz werden wir auf Zivis nicht verzichten können", sagt Sprecher Remmer Koch, "aber ihren Anteil würden wir wahrscheinlich reduzieren." Fest stehe: Die Verkürzung würde eine "große Umstellung" bedeuten.

Leider habe das Freiwillige Soziale Jahr als Alternative zum Zivildienst gesellschaftlich noch nicht den gewünschten Stellenwert, heißt es bei der Lebenshilfe Hamburg, wo Zivis zu 90 Prozent dafür sorgen, Schwerstbehinderte im Schulalltag zu betreuen. "Ob wir diesen speziellen Anforderungen mit einem verkürzten Zivildienst noch gerecht werden können, ist äußerst fraglich", sagt Thomas Ruß. "Berücksichtigt man Schulferien, Urlaubsansprüche und Seminare, werden die sechs Monate Zivildienst effektiv auf etwa drei bis vier Monate reduziert werden."

Der Kernpunkt, sagt Dieter Adamski vom Verein Therapiehilfe, sei das Vertrauen. "Darauf basiert die Arbeit der meisten Zivis. Und das erlangt man nicht in sechs Monaten."

Neben dem menschlichen Faktor zähle auch die Qualifikation, sagt Rainer Barthel vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Hamburg. "Gerade im Rettungsdienst, aber auch bei allen anderen Aufgaben, müssen die jungen Menschen erst eingearbeitet werden." Künftig würden die Zivis nur noch auf der "Durchreise" sein, sagt Barthel.

Der sechsmonatige Zivildienst würde womöglich nur noch "schnell abgeleistet", sagt auch Timo Spiewak von der Caritas. "Bisher war das als Lerndienst gedacht, der viele junge Männer dazu gebracht hat, einen sozialen Beruf zu ergreifen." Ganz auf Zivis zu verzichten kann sich die Caritas nicht vorstellen. "Aber wahrscheinlich müssten wir auf Aushilfen zurückgreifen."

Ein verkürzter Zivildienst habe auch Vorteile, sagt Marius Matern (20) aus Lokstedt, der seit1. August beim ASB seinen Zivildienst macht. "Für einen schnelleren Studienbeginn nach dem Abitur ist das praktischer", sagt der Hamburger, der Wirtschaftsingenieurwissenschaften studieren möchte. "Aber wenn Zivildienstleistende demnächst mit einem Halbwissen durch die sechs Monate gejagt werden, hat das mit dem ursprünglichen Gedanken nichts mehr zu tun: Schließlich haben wir alle uns bewusst gegen den Wehrdienst entschieden, um etwas in unseren Augen Sinnvolleres zu tun." Sönke Grimm (22) aus Wandsbek, der bei der Lebenshilfe seinen Dienst absolviert, stimmt zu: "Ich bin sogar der Meinung, dass man den Zivildienst eher auf zwölf Monate verlängern sollte."