Es waren weniger die körperlichen Schmerzen als vielmehr das Leben mit der unerbittlichen Diagnose, die ihm zunehmend Kraft und Leben nahmen.

Die Ohnmacht und Verzweiflung, die ihn befielen und lähmten, wenn es nach den Arztbesuchen schon wieder hieß: nichts. Gar nichts sei besser geworden und offen auch, ob es jemals wieder besser werden könnte. Auch das ewige Grübeln machte ihn verrückt, welche Therapie die richtige für ihn sei und welche Nebenwirkungen er in Kauf nehmen würde für eine mögliche Lebensverlängerung. Er begann sich einzuigeln und abzuschotten. Das schien ihm der einzige Weg. So lange, bis er sich Hilfe suchte. Von außen. Einen Menschen, dem er die eigene Geschichte erzählen konnte, der ihn nicht kannte. Der ihm zuhörte und half, sich wieder selbst zu spüren. In Kontakt zu kommen mit all dem, was ihm im Laufe seines Lebens schon einmal Hilfe war und Kraft gab - in Zeiten, in denen es hart auf hart kam. So habe er sich durch die Gespräche plötzlich wieder daran erinnert, dass er als Bauernsohn früher nie schlechtes Wetter gekannt habe. Ganz gleich, ob die Sonne schien oder nicht - nichts hatte ihn je abhalten können, seiner Arbeit draußen nachzugehen. Diese Erinnerung hilft ihm heute, auch schlechte Werte oder niederschmetternde Ergebnisse zwar nicht zu akzeptieren, aber immerhin besser zu ertragen. Weil es ihn mutiger und selbstbewusster auch in die Regenschauer und Stürme seines Lebens hinaustreten lässt und er den Diagnosen und Prognosen zunehmend weniger Macht gibt, ihm schon jetzt jede Freude am Leben zu rauben.

Heute erzählt er freimütig von seinen Ängsten. Mittlerweile freut er sich auch wieder an den kleinen Erfolgen, die ihm mehr und mehr gelingen: seinem Alltag wieder nachzukommen, kleine Erledigungen zu machen, Menschen zu treffen, zu reden und auch anderen Betroffenen von sich zu erzählen.

Reden bewirkt keine Wunder. Aber reden kann helfen, verschüttete Sätze und Bilder wiederzuentdecken und Vertrauen zurückzgewinnen.

Denn Worte sind wie kleine Samenkörner. Wo wir sie säen und den Boden um sie lockern, lässt Gott sie wachsen und verleiht ihnen Lebenskraft.

astrid.kleist@gmx.de